Dr. Erich Kohn

Die Familie des American Dentist Otto Kohn , geb. 24. 1. 1877 in Augsburg, kam 1906 nach Worms. Mit seiner zweiten Ehefrau Johanna Kohn geb. Berg und den Kindern Erich und Willi wohnte er Obermarkt 15, wo er auch praktizierte.   Bis auf Erich Kohn, geb. 17. 1. 1909, konnten die übrigen Familienmitglieder 1936 Worms verlassen und lebten später in Israel und in den USA.  

Erich Kohn war Schüler des seinerzeitigen Altsprachlichen Gymnasiums am Rhein, wo er 1928 die Abiturprüfung ablegte. Er studierte Zahnmedizin und wird 1933 im Adressbuch als Zahnarzt bezeichnet. 1933 emigrierte er nach Edinburgh/Schottland (GB). Dort wurde er am 27. 12. 1934 tot aufgefunden. Er hatte sich das Leben genommen.

Der Stein liegt vor dem Rudi-Stephan-Gymnasium, Von.Steubenstraße 31

Der folgende Text ist von Annette Kammerer, Schülerin des RSG, vorgetragen worden.

Wir denken an Erich Kohn

Am 17. Januar 1909 brachte Johanna Kohn in Worms ein Kind zur Welt. Die Familie mit Vater Otto Kohn bewohnte am Obermarkt 15 eine kleine Wohnung. Das Kind war ihr erstes und wurde Erich genannt. Drei Jahre später bekam er einen Bruder mit Namen Willi.

Otto Kohn war ein „american dentist“, seine Mutter entstammte einer angesehenen Wormser Familie, die am Neumarkt ein renommiertes Bekleidungs- und Wäschegeschäft betrieb.

Erich machte 1928 sein Abitur am (heutigen) Rudi-Stephan-Gymnasium hier in Worms.

Aber die Tragödie beginnt, als seine Mutter unerwartet stirbt. Man kann sich nicht vorstellen, wie es gewesen sein muss, seine eigene Mutter zu verlieren. Ich denke,  nur die, die das einmal erlebt haben, können sich wirklich in seine Lage versetzen. Von da ab waren es nur noch drei Kohns.

Trotzdem führte Erich sein Leben weiter und nahm sein Studium der Zahlmedizin auf, das er mit der Promotion abschloss. Willi, der jüngere Bruder, wurde kaufmännischer Angestellter.

1933, als Hitler an die Macht kam, wurde Erich Kohn eine Niederlassung als Zahnarzt in Deutschland unmöglich gemacht. Er musste in seiner eigenen Heimat um sein Leben fürchten. Deshalb war er gezwungen, im gleichen Jahr nach Edinburgh in Schottland emigrieren.

Auch Vater und Bruder verließen kurz darauf Worms. Willi emigrierte nach Frankreich, Otto Kohn über Frankfurt nach Palästina. Man könnte meinen, dass sie um ein Haar nicht dem NS-Regime zum Opfer gefallen waren. Doch Erich schaffte den Neuanfang in Schottland nicht.

Am Morgen des 19. Dezember 1934 fand man ihn tot in seiner Wohnung auf. Er hatte sich das Leben genommen. Warum sein Leben so enden musste, bleibt unklar. Sicher ist aber, dass er nur noch einen einzigen Ausweg sah und wohl aus tiefster innerer Verzweiflung gehandelt haben muss. Erich Kohns Urne wurde auf dem Neuen jüdischen Friedhof in Worms beigesetzt.

Sein Vater starb 1940 in Palästina. Sein Bruder kam in die Bundesrepublik zurück.

Es schlossen sich Texte zum Schicksal weiterer jüdischer Schüler und Schülerinnen an, die dem Aufsatz von Annelore Schlösser „Jüdische Schüler des Wormser Gymnasiums und ihre Schicksale im Dritten Reiche“, HUMANITAS, Mitteilungsblatt des Rudi-Stephan-Gymnasiums, 1984, S. 359-401, entnommen waren.