Familie Baum

Baum Wilhelmine (187-1942)

Baum Mathilde (1873-1942)

Baum Salomon (1875-1944)

Baum Zerline geb Ackermann (1876-1943)

Baum Johanna (1907-?)

Baum Flora (1920-?)

Ich

einer von vielen

mit einer nummer zum schlachten gezeichnet

wische den schweiß von der Stirn

höre ich schritte nachts

und schließe die augen

die viel zu viel gesehen

o menschenleib

du herrlichster staub

Tadeusz Rózewicz

In der Gymnasiumstraße 6 wohnte vom 6.12.1938 bis zum 22. 11.1939 die Familie Baum aus Frei-LaubersheimSalomon Baum kam  mit seiner  Ehefrau Zerline Baum geb. Ackermann, seinen beiden Schwestern,  Wilhelmine und Mathilde Baum und seiner jüngsten Tochter Flora Baum nach der Reichsprogromnacht nach Worms.

Was veranlasste die Familie Baum, ihr Haus in Frei-Laubersheim zu verlassen und nach Worms in die Gymnasiumstraße 6 zu fliehen?

Wolfgang Zeiler gibt die Antwort auf diese Frage in dem Artikel “Das Schicksal der letzten Juden von Frei-Laubersheim,” erschienen im Naheland-Kalender 2006.

Diesen Artikel möchten wir jetzt mit Genehmigung des Autors zum Gedenken an die sechs ermordeten Familienmitglieder der Familie Baum verlesen .

Öffentlicher Anzeiger vom 9. Dezember 1938: Frei – Laubersheim: “Der Viehhändler Salomon Baum verließ den Ort, damit ist die Gemeinde judenfrei.”

In dieser unscheinbaren Zeitungsnotiz wird im nationalsozialistischen Sprachgebrauch das Ende eines seit mehreren Generationen bestehenden jüdischen Gemeindelebens in Frei-Laubersheim mitgeteilt. Gleichzeitig bedeutet dies den Beginn eines unvorstellbaren Leidensweges einer jüdischen Familie, die wie Millionen anderer jüdischer Mitbürger, Opfer des Nazi-Terrors wurden.

Salomon Baum, geb. am 21. November 1875 lebte wie seine beiden Schwestern Wilhelmine Baum, geb. am  3.05. 1870 und Mathilde Baum, geb. am 11. März 1873 von Geburt an in Frei-Laubersheim. Nach dem Tod der Eltern, Samuel und Sara Baum übernahm Salomon die Hofreite in der Obergasse, heute Rathausstraße und räumte seinen Schwestern das Nutzungsrecht ein. Er besaß zwei Häuser und auch Feld. (s. Schlösser Wormser Juden)

Im Jahre 1905 heiratete Salomon Zerline Ackermann, geb. am 5. Mai 1876 in Weyer/ Sankt Goarshausen. Aus dieser Ehe gingen 6 Kinder hervor: Erna, Johanna, geb. 11. Mai 1907, Arthur, Marx, Rosa und Flora, geb. 23. April 1920.

Salomon Baum verdiente seinen Lebensunterhalt so, wie es schon sein Vater in Frei-Laubersheim getan hatte, nämlich durch Viehhandel, vor allem durch Schlachtvieh – aber auch durch Weinhandel. Im ersten Weltkrieg war er zweieinhalb Jahre Kriegsteilnehmer.

Anfang der 30iger Jahre verließen fast alle Juden Frei-Laubersheim. Auch die Söhne SalomonsArthur und Marx sahen in Deutschland keine Zukunft mehr und wanderten nach Argentinien aus, wo sie sich eine neue Existenz aufbauten. Nur Salomon Baum und der Rest der Familie blieben. Salomon Baum war Frei-Laubersheimer und wollte seine Heimat nicht verlassen, obwohl auch er die zunehmende Hetzkampagne der Nationalsozialisten gegen die Juden erkennen konnte. 

Öffentlicher Anzeiger vom 11. November 1938: “Auch in Bad Kreuznach und den Orten der Umgebung machte sich die Empörung der Volksgenossen in den frühen Morgenstunden des gestrigen Tages Luft. Der Volkszorn über die abscheuliche Mordtat (gemeint ist das Attentat von Herschel Grynszpan am 7.11.38 auf den Legationssekretär von Rath, M. Dröge) fand seinen Ausdruck in der Zertrümmerung der Fensterscheiben in jüdischen Geschäftslokalen und Wohnungen auch die Inneneinrichtungen wurden von den empörten Volksgenossen zerschlagen …

In den Orten der Umgebung und Geschäften überall das gleiche Bild, der Volkszorn hatte sich in gleicher Weise Luft gemacht.”

Die Volksgenossen, die in Frei – Laubersheim wüteten bestanden, nach einem Augenzeugenbericht, aus einer Gruppe ortsfremder Nationalsozialisten, die allerdings genau wussten, dass hier noch eine jüdische Familie lebte.

Am Vormittag des 10. November 1938 hielt ein motorisierter nationalsozialistischer Trupp vor dem Anwesen des Salomon Baum, stürmte das Haus, zertrümmerte Fenster, Türen und das gesamte Mobiliar, warf Teile des Hausrats, aber  z.B. auch gefüllte Einmachgläser auf die Straße und setzte dann die Fahrt in Richtung Fürfeld fort. Da das Wohnhaus der Familie Baum durch diese Barbarei unbewohnbar geworden war, brachte man die Familie vorübergehend notdürftig im Rathaus unter. (Quelle : Schilderung des ehemaligen Frei-Laubersheimer Friseurs Herrn Rink)

Kurze Zeit nach dieser Reichskristallnacht verließ auch die Familie Baum als letzte der hier wohnhaften Juden den Ort und zog am 6.12.1938 nach Worms in die Gymnasiumstraße 6 (Haus Reinheimer II , s.  Schlösser, Die Wormser Juden 1933-1945).

Der Grund für die Familie Baum, gerade Worms als neuen Zufluchtsort zu wählen, bestand wohl in der Tatsache, dass die Tochter  Johanna Baum seit dem 1.1.1936 in Worms als Hausmädchen bei dem Fabrikanten Paul Mayer in der Richard-Wagner-Straße 59 (s. Mayer XVIII) und ab dem 8.11.1937 in der Haushaltung von Arthur Mayer in der Kämmererstraße 10 arbeitete. Am 20.10.1939 zog auch Johanna Baum zu ihrer Familie in die Gymnasiumstr. 9, wahrscheinlich weil sie ihre Arbeitsstelle verloren hatte. Am 22.11.1939 zog die Famile erneut um, diesmal in die Judengasse 33 ins Haus Salomon. Johanna und Flora Baum mussten seit dieser Zeit bei der Firma Werner und Merz  in Mainz (besser bekannt durch die Produkte Erdal und Frosch) Zwangsarbeit leisten.

Am 25. März 1942 wurden sie  nach Polen deportiert. Sie sind, wie alle Angehörigen dieses Transportes vermutlich im Vernichtungslager Belzec oder Maidanec umgebracht worden.

Wie menschenverachtend und brutal die Nationalsozialisten agierten, zeigt sich im Umgang mit den noch übrig gebliebenen Mitgliedern der Familie Baum.

Schwer krank, nach einer Leistenbruchoperation im November 1942 im israelitischen Krankenhaus in Frankfurt, musste Salomon Baum mit seiner Frau Zerline und seinen beiden Schwestern Wilhelmine und Mathilde noch einmal die Wohnung wechseln. Sie wurden in das stadteigene Haus Sixtusplatz 4 umquartiert, ihr letztes Asyl vor der Deportation nach Theresienstadt am 27. September 1942. (DepL II, Nr. 941, 942, 943, 944).

Mathilde Baum starb in Theresienstadt am 23.November 1942, ihre Schwester Wilhelmine kurze Zeit später am 19.12.1942.

Zerline Baum starb am 2.3.1943, ihr Mann Salomon Baum am 20.4.1944, beide ebenfalls in Theresienstadt ( BAK:Z Sg 138).

Über das Schicksal der beiden Töchter Erna und Rosa konnte nichts ermittelt werden.