Herbert Homberger (1908 – Tod in Auschwitz 1943), Berta Homberger geb. Hartherz (*1907)

Das Schicksal Herbert Hombergers  und seiner Frau Berta geb. Hartherz aus Rüsselsheim zeigt beschämend und auch beispielhaft, wie kaltblütig und systematisch in Deutschland unter der Nazi-Herrschaft Verwaltungen, Staatsanwälte und Richter mit spitzfindiger und perfider Akribie fortgesetzt Rechtsbeugung begingen, um einen jungen und erfolgreichen Menschen und seine Familie bloßzustellen, zu diffamieren, wirtschaftlich zu ruinieren, zu kriminalisieren, zu verurteilen, ins Gefängnis zu bringen, dann zu deportieren und im KZ zu ermorden. Das Gesetz, gegen das er angeblich verstoßen hatte, war die erst kurz zuvor erlassene „Verordnung gegen die Unterstützung und Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe“. Willkürlich auslegbar wurden damit vorsätzlich falsche Anschuldigungen konstruiert, die zu seiner Vernichtung und zur Vernichtung seiner Familie und Angehörigen führten.

Herbert Homberger
Quelle: Der Stürmer 30/17, 17. Juli 1939

Herbert Homberger lebte mit seiner nichtjüdischen Frau Berta vorübergehend von 1933 bis 1936 in Worms im Rheingewannweg 8 und war Mitglied der Wormser Friedrichsgemeinde. Da die Adresse Rheingewannweg 8 nicht mehr existiert und in einem heutigen Industriegebiet liegt, wurde der Stein am Obermarkt 18 verlegt, wo Herbert Homberger kurzzeitig wohnte.

Berta Homberger geb. Hartherz
Quelle:
https://www.rrk-online.de/chronik/chron31.htm
RRK 08 – Geschichte des Rudervereins Rüsselsheim (1931)

Homberger kam 1908 als Sohn assimilierter Juden in Gießen zur Welt. Als Kind wurde er evangelisch getauft und 1922 in Gießen konfirmiert.

Er lernt Kaufmann und ist bis 1930 in der Tabakbranche erfolgreich tätig. 1931 macht er sich selbständig und steigt als Teilhaber in Lorsch bei der Firma Schmitt & Höttges ein, einem Betrieb für Zurichterei und Vertrieb von Faserstoffen zur Herstellung von Bürsten u.Ä. Der Betrieb ist dank der Mitarbeit Hombergers erfolgreich und verlegt 1933 den Firmensitz nach Worms.

Im Sommer des gleichen Jahres wenige Monate nach der Machtergreifung der Nazis heiratet er die nichtjüdische Berta geb. Hartherz aus Rüsselsheim. Es wird sich zeigen, dass sie eine großartige und tapfere Frau ist, die bei allen Anfeindungen, Schikanen und Gefahren der kommenden Jahre unerschütterlich zu ihrem geliebten Mann und zu ihrer sogenannten Mischehe steht.

Die Teilhabe eines Juden an einem deutschen Betrieb im Nazi-Reich wird das Geschäft bald empfindlich stören. Seine beiden Kompagnons drängen ihn deshalb 1936 auf dem Klageweg mit einem Vergleich aus der Firma. Es spricht für Hombergers geschäftliche Tüchtigkeit, dass zu diesem Zeitpunkt seine Firmenanteile von 5 000.- Reichsmark (RM) bereits um das Achtfache auf 40 000.- RM angestiegen waren.

Herbert ist gezwungen, sein ganzes Vermögen an Berta zu übertragen. In einem Ehevertrag vereinbaren die Eheleute Gütertrennung und Herbert verzichtet auf alle Ansprüche zu Gunsten Bertas. Er hat keine selbständige Existenzgrundlage mehr.

Berta gründet mit einem Cousin Herberts eine neue Firma, die von der Handelskammer in Mainz aber nicht anerkannt wird, da sie über kein fachlich qualifiziertes Personal verfüge. Deshalb steigt ihr Vater Heinrich Hartherz ein. Er ist ein Kaufmann, dem die Qualifikation nicht abgesprochen werden kann. Trotzdem gilt die Firma als nicht-arischer Betrieb und man verweigert deswegen die Lieferung der Rohstoffe. Man wirft Berta und ihren Angehörigen vor, sie unterstützten und tarnten einen jüdischen Gewerbebetrieb, was ja verboten sei. Den Verzicht Herberts auf alle Ansprüche bezeichnet man als durchsichtigen Tarnungsversuch, er sei auf diese Ansprüche tatsächlich nicht angewiesen, was erst recht für den Tarnungsversuch spreche.

Die Firma bleibt erfolglos. Auch die Nichtjüdin Berta führt nun den diskriminierenden Beinamen Sara, wie aus Bankunterlagen der Commerzbank zu entnehmen ist. Berta muss die Firma liquidieren, sie muss Inventar und Maschinen zu Spottpreisen veräußern. Unter Ausnutzung ihrer Notlage drücken die arischen (deutschen) Käufer die Preise.

Die Rechtsbeugungen gehen skrupellos weiter. Es folgen Gerichtsverfahren, die eigentlich Schauprozesse sind, weil erstmals gegen die Unterstützung und Tarnung jüdischer Gewerbebetriebe verhandelt und verurteilt wird. Dem Nazi-Blatt „Stürmer“ ist der Prozess in Mainz reichsweit ein Aufmacher mit einem verlogenen und böswillig kommentierenden vierseitigen Bericht wert.

Nach längeren Untersuchungshaftzeiten werden Herbert zu einem Jahr und sechs Monaten, Berta zu einem Jahr und drei Monaten und ihr Vater zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Auch weitere Angehörige erhalten Gefängnisstrafen. Dokumentiert sind unmenschliche und entwürdigende Behandlungen im Gefängnis. Mit der Haftentlassung 1943 wird Herbert nach Auschwitz deportiert und ist dort „laut Liste“ am 26. August 1943 im Konzentrationslager „verstorben“.

Berta Homberger stand immer fest zu ihrer Liebe, zu ihrem Herbert. Von ihm ist ein rührender Liebesbrief aus dem Gefängnis an sie erhalten:

Mein lieber Goldschatz!

Ich bin jetzt seit genau 3 Wochen hier, und meine Sehnsucht nach dir, meinem Liebling, ist riesengroß. Manchmal kommt es mir sehr lange vor; aber: das Jahr geht herum & wie du ganz richtig schreibst: an unserer Goldenen Hochzeit wird es kaum mehr als eine kleine aber unangenehme Erinnerung sein. Sei herzlich gegrüßt, Du mein treues Schätzchen & grüße Mutter & alle Lieben. In Gedanken umarme & küsse ich Dich als Dein nur Dir allein gehörender Herbert

Brief von Herbert Homberger aus dem Strafgefängnis Frankfurt am Main-Preungesheim an seine Ehefrau Herta Homberger, geb. Hartherz v. 04.08.1941; Quelle: Häftlingsakte Homberger, Herbert | HHStAW Best. 409/4 Nr. 2745

Kennkarte Mainz A 00589 | Mainz 16.01.1939
Quelle:
Zentralarchiv Best. B. 5/1 IV  Nr.285 | https://zentralarchiv-juden.de/fileadmin/user_upload/bis2016dateien/B_5.1_Abt_IV_0285.pdf

 

Berta Homberger geb. Hartherz überlebte. Sie heiratete am 25.06.1949 in Mainz-Gonsenheim den Angestellten Moritz Otto Mannheimer (*11.04.1895 Mainz).
Am 24.10.1949 meldete sie sich zu ihrem Ehemann ab nach El Paso/Texas/USA, 3630 Jackson Avenue.

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Recherchiert von Pfarrer Pascalis für eine Predigt am 14. November 2021. Für die Stolpersteinverlegung am 6. Februar 2023 bearbeitet von Hans Egli und Manfred Dröge.

Quellen:

Adressbücher Worms

Einwohnerverzeichnis von Worms

Yad Vashem Record Group

Hessisches Staatsarchiv Darmstadt – HSTAD G24 Nr. : 946

Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden – HH STAW Abz. 519/3 Nr. 3149

HH STAW Abt.409/4 Nr.2745

HH STAW Abz. 519/3 Nr. 31497

HH STAW Abt. 409/4 Nr. 1243

HSTAD Best. G24 Nr. 2330

Wiener Library: Transportbericht, Doku. 1113/1, “Evakuierung von Juden von Düsseldorf nach Minsk“

Deportationsliste vom 24.03.1942 Mainz/Darmstadt n. Piaski

Maximillian Srnad, Privileg Mischehe, Wallensteinverlag, Kindle-Version

Der Stürmer 30/17, 17. Juli 1939

Die Steine liegen vor dem Haus Obermarkt 18.