Ludwig Ebert (1867 – Tod in Auschwitz 1944)

Ludwig Ebert wurde am 22. Juni 1967 in Fürth in Bayern geboren.

Mit 18 Jahren kam er nach Osthofen und als 24-Jähriger heiratete er Philippine – genannt Lina – Hirsch (*1868 – 1933). Sie war die Tochter des Dolgesheimer Kaufmanns Simon Hirsch und der Osthofenerin Amalie geb. Herz.

Das Ehepaar Simon und Amalie Hirsch besaß zwei benachbarte Häuser in Osthofen – heutige Adressen: Friedrich-Ebert-Straße 16 und Carlo-Mierendorff-Straße 1. Sie betrieben dort ein Schuhgeschäft, welches auch nach ihrem Tod unter „Simon Hirsch Nachfolger“ weitergeführt wurde.

Linas Vorfahren waren mütterlicherseits schon seit der ersten Hälfte des 19 Jh. in Osthofen ansässig, ihre Eltern hatten 1853 in Osthofen geheiratet.

1907 übernahmen Ludwig Ebert und seine Ehefrau das Haus Carlo-Mierendorff 1.

Mit 19 Jahren trat Ludwig Ebert in die PAPIER- & PAPPDECKEL-FABRIK (Eigentümer Rumpel, dann Emmerling, dann Kahn, später Papierfabrik Osthofen AG) im Ziegelhüttenweg Osthofen ein und war dort lange als Prokurist tätig. 1911 wurde er für seine 25-jährige Betriebszugehörigkeit geehrt.

Ludwig Ebert fühlte sich als Osthofener und engagierte sich in seinem Wohnort:

Gleich zu Beginn des 1. Weltkriegs wurde er 1914 zusammen mit Carl Schill, Wilhelm Bansbach, Dr. Danielsen, Fritz Rauch, der Ehefrau des Pfarrers Illert, Bürgermeister Schmitt, Bankdirektor Merkelbach u.a. Gründungs- und Vorstandsmitglied des Vereins KRIEGSFÜRSORGE OSTHOFEN. Danach ließ er dem Verein großzügige Geldspenden zukommen. Der Verein organisierte und betrieb ein Hilfslazarett in der heutigen Carl-Schill-Turnhalle.

„Frl. Ebert“ – wahrscheinlich seine Tochter und Ärztin Else – war ebenfalls im Verein der Kriegsfürsorge sehr aktiv und wurde dafür mit dem Militär-, Sanitätskreuz ausgezeichnet 1).

Ludwig Ebert war Mitte 40, als er seine eigene Fabrik das „PAPIERWERK OSTHOFEN LUDWIG EBERT“ (später „Papierwerk Osthofen Ludwig Ebert & Sohn“) im Süden von Osthofen – heute Flurweg 14 und Carlo-Mierendorff-Str. 44 – eröffnete. Dort wurde Papier z.B. zu Tüten verarbeitet. (Das Unternehmen firmierte 1914 noch unter „Papierwerk Osthofen Ebert & Steinberg“. Er war wohl zunächst als Teilhaber eingetreten.

Portraitaufnahme von Ludwig und Arthur Ebert, 1937
Quelle: Kurt-Werner Pob/NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen

Visitenkarte des Papierwerk Osthofen
Quelle: Henry Ebert/NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen, Osth 113

WR 67, WR 71, Papierwerk Osthofen Ludwig Ebert & Sohn
Quelle: Henry Ebert/NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen

Beide Fabriken – im Ziegelhüttenweg und im Flurweg – waren über 60 Jahre lang ganz wichtige lokale Arbeitgeber und sicherten somit Generationen von Osthofener Familien ihren Broterwerb!

Vor dem 1. Weltkrieg trugen sie maßgeblich zum wirtschaftlichen Aufstieg Osthofens im Zuge der Industrialisierung bei und auch nach dem 1. Weltkrieg kamen beide Firmen wieder schnell auf „die Beine“.

1919 kaufte Ludwig Ebert das Wohnhaus hier in der Schwerdstr. 13 vom Notar Heinrich Köhler und wohnte dort mit seiner Frau Lina, seinem Sohn Arthur (bis 1924) und für kurze Zeit wohl noch mit Tochter Martha. Die beiden älteren Töchter waren schon verheiratet und nicht mehr in Osthofen.

2 Jahrzehnte lang war Ludwig Ebert im Vorstand der Osthofener Synagoge.

Mitte der 1920er Jahre war er 1. Vorsitzender der AOK Osthofen und Mitglied des Steuerausschusses des Kreistages.

Politisch war er nationalliberal eingestellt und Mitglied der Deutschen Volkspartei.

Februar 1933 starb seine Frau Lina im Alter von 65 Jahren in Osthofen; sie ist auf dem jüdischen Friedhof in Osthofen beerdigt.

Um 1930 geriet die PAPIERFABRIK IM ZIEGELHÜTTENWEG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und wurde geschlossen.

Als die NSDAP 1933 an die Macht kam, wurde das Gelände der geschlossenen PAPIERFBRIK IM ZIEGELHÜTTENWEG beschlagnahmt und von den örtlichen Nationalsozialisten zum 1. KONZENTRATIONSLAGER im Volksstaat Hessen umgenutzt. Dort wurden alle potenziellen Gegner der NS-Politik kurzerhand weggesperrt, um die ersten Monate des NS-Regimes zu sichern.

Auch Ludwig Ebert war Anfang 1934 als 66-Jähriger kurzzeitig dort inhaftiert, wo er über Jahrzehnte in leitender Funktion gearbeitet hatte.

Sein Mithäftling Hans Hein berichtete Jahrzehnte später: „…. Fast täglich wurden Leute eingeliefert und immer waren Juden dabei, die nur deshalb eingesperrt wurden, weil sie Juden waren,. …. Eines Tages saß ein gut aussehender und gutgekleideter Mann, der kurz zuvor eingeliefert worden war, neben mir auf der Bank in unserer „Stube“. Er sagte zu mir: „Junger Mann, hier in diesem Betrieb war ich über 25 Jahre Direktor.“ … “ 2)

Die zunehmend offen judenfeindliche Politik und Gesetzgebung führten dazu, dass Ludwig und Sohn Arthur ihr PAPIERWERK OSTHOFEN IM FLURWEG aufgeben mussten. Jüdische Geschäfte und Unternehmen wurden „arisiert“, das heißt, sie mussten geschlossen oder an einen „Arier“ verkauft werden; das Papierwerk Osthofen ging an Dr. Köster, der sie noch lange weiterbetrieb.

Sicher nicht aus freien Stücken, sondern unter dem Druck der Diskriminierung und dem ständig wachsenden Abgabendruck, dem die Juden ausgesetzt waren, verkaufte er 1934 das Haus Schwerdstr. 13 an den Schwiegersohn seines früheren Vorstandskollegen Bansbach aus dem Kriegsfürsorgeverein. Ein Jahr später verkaufte er auch das Haus an der Ecke Carlo-Mierendorff-Straße/Friedrich-Ebert-Straße.3)

50 Jahre nach seiner Ankunft musste Ludwig Ebert Osthofen verlassen und die unzähligen Familien, denen er Jahrzehnte lang Arbeit und Brot garantiert hatte, schwiegen, schauten weg – von Protesten ist nichts bekannt.

Andere Menschen gehen mit Mitte 60 nach einem langen Berufsleben in Rente, setzen sich zur Ruhe. Für Ebert begann eine lange Flucht.

Zusammen mit weiteren jüdischen Familien kam er eine Zeit lang in Worms in der Kriemhildenstr. 20 im Haus des Isidor Kiefer unter.

Beglaubigte Anmeldebescheinigung für Ludwig Ebert 1934-1938
Quelle: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen, 124/2893

Direkt nach dem November-Pogrom floh der 71-Jährige Ebert im Dezember 1938 nach Frankfurt und fünf Monate später weiter nach Amsterdam.

10 Jahre nachdem er im KZ Osthofen grundlos interniert war, ihm sein Unternehmen weggenommen wurde, er aus Osthofen verjagt worden war, wurde der dann 76-Jährige in den NL wieder verhaftet und im Sammellager Westerbork interniert.

Am 23. März 1944 wurde er nach Auschwitz deportiert und 3 Tage später ermordet.

Bescheinigung des niederländischen Roten Kreuz aus 1947 über die Internierung in Westerbork, die Deportation nach Auschwitz und den Tod,
Quelle: NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen, 124/2893

Ludwig Eberts Kinder:

Tochter Martha verheiratet Siegel (1897-1943, Auschwitz) lebte in Mannheim. Sie wurde wie ihr Ehemann Walter Alfred Siegel und ihre gemeinsame Tochter Gabriele Siegel in Auschwitz 1943 ermordet. Ihre Namen stehen auf dem Mannheimer „Würfel“, dem Mahnmal für die dortigen Opfer des Holocausts. Die Tochter Dorothea Siegel überlebte in den Niederlanden, später in USA.

Ludwig Eberts Tochter Flora Hilda verheiratete Vogel (*1892) floh über das Ghetto Shanghai (2 Jahre) in die USA. Ihre Tochter floh über Brasilien in die USA.

Ludwig Eberts Tochter Else verheiratete Rosenthal (1893 – 1971) und ihr Ehemann Rudi Rosenthal flohen früh in die USA.

Ludwig Eberts Sohn Arthur Ebert (1895 – 1986) floh nach dem November-Pogrom 1939 über England in die USA, seine Frau Alice Schnurmann (1899 – 1968) mit den Söhnen Paul und Heinz (Henry) flohen 1938 über Belgien in die USA.

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Quellen:

1) Traudl und Walter Konrad „Osthofener Geschichten 2“, S. 59 ff

2) NS Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen,50/883

3) Stadtarchiv Osthofen Brandkataster Band II und Band III

NS-Dokumentationszentrum Rheinland-Pfalz, Osthofen

Dokumentation Schlösser „Die Wormser Juden von 1933 – 1945“

http://www.wormserjuden.de/

Informationen von Arthur Eberts Nachfahren

Der Stein liegt in Osthofen vor dem Haus Schwerdstr. 13.