Emanuel Mayer, am 8. 2. 1877 in Lachen/Pfalz geboren, lebte seit 1909 in Worms. Er betrieb in seiner Wohnung in der Dirolfstraße 31 einen Manufakturwarenhandel ohne Ladengeschäft. Verheiratet war er mit Martha geb. Frank (gest. 8. 11 1927), zur Familie gehörten die Kinder Kurt, geb. 23. 9. 1915 und Ruth (geb. 8. 1. 1932. Nach dem Tod seiner ersten Frau heiratete Emanuel Mayer Martha Schnellenberg, geb 1. 9. 1891.
Die Familie wurde vom „Kristallnacht“-Pogrom am 10. November 1938 stark betroffen. Der Vater wurde am 11. 11. 1938 mit insgesamt 87 Männern aus Worms und Umgebung vorübergehend in das KZ Buchenwald verbracht, kam jedoch wie die meisten Mitverhafteten Anfang 1939 wieder zurück.
Die Familie musste zwischen 1939 und 1942 viermal umziehen, 1941/42 dann in die Karolingerstraße 41 (genutzt vom jüdischen Altersheim) und 1942 in das jüdische Altersheim Hintere Judengasse 6 (heute Raschi-Haus). Während Ruth Mayer mit einem Kindertransport in die USA gelangte und als Einzige der Familie überlebte (verh. Moses), konnten die Eltern nur mühsam von den geringen Einkünften des Sohnes Kurt leben und wurden schließlich am 27. 9. 1942 mit einem Sammeltransport nach Theresienstadt deportiert. Dort starb der Vater am 11. 4. 1944, während seine zweite Frau am 28. 10 1944 nach Auschwitz verbracht und ermordet wurde.
Kurt Mayer war von 1927-1933 Schüler der Oberrealschule (heutiges Gauß-Gymnasium). Seine Hoffnung, nach England gehen zu können, erfüllte sich nicht. Als er seinen erlernten Beruf als Bäcker nicht mehr ausüben konnte, arbeitete er zeitweilig als Turnlehrer an verschiedenen jüdischen Schulen, bis diese 1941 ihre Tätigkeit einstellen mussten. Am 30. 2. 1942 wurde er nach Piaski deportiert. Nach Auskunft seiner Schwester Ruth kam er von dort aus nach Riga (wahrscheinlich Lager Salaspils), wo er verhungerte.
Die Steine liegen vor der Dirolfstraße 31
Lesetext SchülerInnen Gauß-Gymnasium mit Frau Werger (Brief Ruth Moses)
Von SchülerInnen des Gauß-Gymnasiums Worms mit Frau Gundula Werger erarbeiteter Text:
Stolpersteine für Emanuel, Martha und Kurt Mayer, Dirolfstraße 31
Vor dem Haus in der Dirolfstraße 31 werden heute drei Stolpersteine verlegt. Sie erinnern daran, dass Emanuel, Martha und Kurt Mayer hier in diesem Haus, in dieser Straße, in dieser Stadt zu Hause waren, bis sie 1939 aus ihrer Wohnung ausgewiesen wurden, 1942 schließlich deportiert und ermordet wurden.
Emanuel Mayer wurde am 8.2.1877 in Lachen in der Pfalz geboren. Seit 1909 lebte er in Worms. Er war Kaufmann, betrieb einen Manufakturwarenhandel; er verkaufte unter anderem Strümpfe und Kurzwaren. Während des Ersten Weltkrieges war Emanuel Mayer Soldat und erhielt dafür das von Hindenburg gestiftete Ehrenkreuz der Frontkämpfer. Das schützte ihn, wie alle anderen jüdischen Frontkämpfer, jedoch nicht gegen die Entrechtung und die Drangsalierungen während der nationalsozialistischen Diktatur. Wie allen jüdischen Deutschen wurden Emanuel, seiner zweiten Frau Martha, die am 1.9.1891 in Lichtenau geboren wurde, und seinen zwei Kindern, Kurt und Ruth, ihre Rechte als deutsche Staatsbürger aberkannt. Ihre wirtschaftliche Existenzgrundlage wurde zerstört. Als einzige der Familie hat Ruth, die jüngste Tochter, überlebt. Sie lebt heute in den USA, in New Hampshire.
Nach dem Novemberpogrom 1938 wurde Emanuel Mayer, zusammen mit 87 anderen Wormser Juden, ins Konzentrationslager Buchenwald verbracht, aber nach einigen Wochen wieder entlassen. Die letzte Adresse von Emanuel und Martha Mayer in Worms war, nach mehrmaligen erzwungenen Umzügen in immer noch dichter belegte Wohnungen, das jüdische Altersheim in der Hinteren Judengasse. Am 27.9.1942 wurden Emanuel und Martha Mayer nach Theresienstadt deportiert. Emanuel starb dort am 11.4.1944. Seine Frau Martha wurde am 28. Oktober 1944 von Theresienstadt nach Auschwitz deportiert und ermordet.
Ruths und Kurts Mutter hieß, wie die Stiefmutter, Martha. Martha Mayer starb 1927 in Worms, sie musste die Schrecken der nationalsozialistischen Herrschaft nicht mehr erfahren. Dafür mussten der zwölfjährige Kurt, der am 23.9.1915 in Worms geboren wurde, und seine fünfjährige Schwester Ruth mit dem Tod der Mutter fertig werden.
Zu dieser Zeit besuchte Kurt die sechste Klasse, genauer: die Quinta a, der damaligen Oberrealschule, der Vorgänger-Schule des heutigen Gauß- Gymnasiums. Im Schuljahr 1926/27 wurde Kurt in die fünfte Klasse aufgenommen. Sein Name findet sich Jahr für Jahr, von 1926 bis 1933, in den Schülerlisten wieder. Die Obertertia, also die neunte Klasse, hat Kurt wiederholt. Mit dem Abschluss der zehnten Klasse, zu Ostern 1933, verließ Kurt die Oberrealschule. Er absolvierte eine Lehre als Bäcker. Er hat sieben Jahre lang in diesem Beruf gearbeitet, bis die nationalsozialistischen Gesetze ihm eine Beschäftigung als Bäcker verboten, beziehungsweise am Ende auch die jüdische Bäckerei, in der er zuletzt arbeitete, schließen musste.
Von 1940- 1942 arbeitete Kurt als Turnlehrer an mehreren jüdischen Bezirksschulen, an denen jüdische Schüler unterrichtet wurden, nachdem ihnen der Besuch der staatlichen Schulen nach dem Novemberpogrom 1938 endgültig verboten worden war. Kurt fuhr dazu mit dem Zug bis nach Mainz, Darmstadt und Wiesbaden. Die Eltern lebten vom kümmerlichen Einkommen des Sohnes.
Unter den Juden, die am 20. März 1942 vom Wormser Bahnhof aus deportiert wurden, befand sich auch Kurt Mayer. Das Ziel war Piaski in Polen. Dort oder aber in Riga verliert sich die Spur des sechsundzwanzigjährigen Kurt. In Riga sei er verhungert, so lautet die Auskunft seiner Schwester in einem Brief, den wir gleich verlesen werden.
Wir, Schüler des Leistungskurses Geschichte am Gauß- Gymnasium, widmen diesen Erinnerungsstein Kurt Mayer. Wir haben gerade unser Abitur bestanden. Kurt war das nicht möglich. Nicht nur seine schulische und berufliche Laufbahn, die er, als Fünftklässler, ähnlich wie wir, mit vielerlei Erwartungen, vielleicht auch Ängsten, begonnen haben mag, wurde jäh unterbrochen, sondern sein Leben wurde gewaltsam beendet.
Wir lesen einen Auszug aus dem Brief, den uns seine Schwester Ruth Moses im November 2007 geschrieben hat. Wir haben sie darüber informiert, dass wie einen Stolperstein für ihren Bruder verlegen möchten und um ihre Erlaubnis dazu gebeten.
“I came to the United States with a Children Transport, which allowed children to leave their homes and come here up to their age of 15. My brother Kurt was 7-1/2 years older, and had left our family home already. He had finished his schooling at the Real-Schule, and when things turned unpromising for the Jewish people, he intended to go to England until he could come to the U.S. to join me. In the meantime, he moved out of our apartment, as he wanted to learn the bakery trade. However, the war broke out, and he could not leave Germany any more.
When I left Worms in 1937, I was hoping my family could join me here soon, but it was not to be. My father and step-mother ended up in Theresienstadt, where they perished, and my brother Kurt was taken to Riga and was never able to leave there, where he died a horrible death of starvation.
It was a sad time for me, as I was the only surviving of our family.
You are doing a wonderful thing by bringing all this to the light, and I hope sad things like that will never even happen again. Thank you so much.
Mrs. Ruth Moses (Mayer)
1017 Alton Woods Drive Concord, New Hampshire. USA.“
Verlesen von SchülerInnen des Gauß-Gymnasiums.