Emma Esther Oppenheimer (1866 – Tod in Theresienstadt 1942)

Kennkarte Emma Esther Oppenheimer, 1939

Was wird sie gedacht haben, die Frau mit dem Vornamen Emma, der in unserer Zeit das Synonym für emanzipierte Frauen wurde und nachdem sich sogar eine Frauenzeitschrift nannte, als sie im Januar 1939 in der Hinteren Judengasse 6 vor dem Altersheim stand? Wo kam sie her? Was wird der Grund für sie gewesen sein, 73-jährig den Wohnort zu wechseln? Hatte sie keine Angehörigen, keine Kinder, keinen Ehemann? Wir wissen es nicht. So, wie wir über ihr Leben kaum etwas in Erfahrung bringen konnten.

Es muss kalt gewesen sein, als sie am 17. Januar 1939 nach der langwierigen Prozedur ihrer Kennkartenerstellung bei der Wormser Polizei endlich ihre Schlafstätte in ihrem neuen Zuhause im heutigen Raschihaus belegen konnte.

Der Kennkarte, die ab 23. Juli 1938 für jeden jüdischen Bürger Pflicht war und mit einem J gekennzeichnet wurde, entnehmen wir, dass sie am 21. Dezember 1866 in Sickenhofen geboren wurde.

Sickenhofen ist ein kleiner Ort bei Babenhausen im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Eine jüdische Gemeinde existierte dort seit 1600. Zur Zeit ihrer Geburt 1861 lebten 77 jüdische Einwohner in der 507 Einwohner zählenden Gemeinde, das waren ca. 15% aller Dorfbewohner. Eine Synagoge, eine Religionsschule, ein rituelles Bad, ein Friedhof waren Eigentum der jüdischen Gemeinde.

Den Name Oppenheimer findet man in einer Auflistung jüdischer Familien in Sickenhofen. Folgende Berufe werden hier für die Familien in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts angegeben: Metzger, Spezereienkrämer, Handelsmann, Viehhändler, Ellenwarenhändler, Sattler, Uhrmacher, Lumpensammler, Federnhändler und Geflügelhändler.

Welchen Beruf wird wohl ihr Vater ausgeübt haben? Der Name Oppenheimer findet sich nicht unter den Lehrer- und Rabbinernamen, die in einer Chronik aufgeführt werden. Und die anderen genannten Berufe sind den Familien leider nicht zugeordnet. Eine existierende Kennkarte in Frankfurt für einen Lazerus Oppenheimer ausgestellt, auch geboren in Sickenhofen, nennt den Beruf des Schusters. War er mit ihr verwandt? Übte ihr Vater den gleichen Beruf aus? Wir wissen es nicht und werden es wohl auch nicht mehr in Erfahrung bringen.

Ob Emma verheiratet war, bleibt ungeklärt, obwohl sie im Wormser Adressbuch von 1939 als Witwe erwähnt wird. Anscheinend, so vermutet auch das Ehepaar Schlösser in seiner Dokumentation, war sie aber nie verheiratet, denn bei eignen Angaben über ihre Person nannte sie keinen Mädchennamen und auch in der Kennkarte ist kein diesbezüglicher Vermerk eingetragen.

Die Gründe für ihre Umsiedlung ins Wormser jüdische Altersheim sind vielfältiger Natur. Am wahrscheinlichsten ist die Annahme, dass während des Pogroms am 9. November 1938 ihre Wohnung so zerstört wurde, dass ein Wechsel notwendig war. Ob sie da noch in Sickenhofen wohnte, ist nicht anzunehmen, hatten doch, außer zwei Familien mit den Namen Frank und Kahn, die meisten Juden bereits 1935 Sickenhofen verlassen. Emma Oppenheimer scheint zu diesem Zeitpunkt also nicht mehr in Sickenhofen gelebt zu haben, so dass sie den brutalen Misshandlungen an diesen beiden verbliebenen jüdischen Familien dort nicht ausgesetzt war. Dass ihr aber Ähnliches an einem anderen Ort widerfuhr, kann angenommen werden. Die erzwungene Suche nach einer neuen Bleibe wurde für sie notwendig.

Gab es für sie eine Möglichkeit, bei Verwandten unterzukommen? Vielleicht fand sie Zuflucht bei der Familie Oppenheimer in Fränkisch Crumbach. Das von dort kommende Geschwisterpaar Gustav und Ida Oppenheimer ist ja auch nach der Pogromnacht über Mannheim ins Wormser Altenheim gezogen. Hinweise für solche Verbindung gibt es aber nicht.

Warum hat Emma die Möglichkeit einer Auswanderung nicht ergriffen? Überliefert ist, dass sie erklärt habe, sie sei zu alt für eine Auswanderung in ein anderes Land.

Der Aufenthalt in Worms dauerte nur kurz. Am 27. 09. 1942 wurde sie mit vielen anderen Wormser Juden nach Theresienstadt deportiert. Emma Oppenheimer erlebte ihren 76. Geburtstag im KZ nicht mehr. Der 26. Oktober 1942 wird als ihr Todestag angegeben.

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Quellen:

StA Worms, Abt. 170/32 Dokumentation Schlösser

Wormser Adressbücher

Alemannia Judaica: Sickenhofen

DpL II, Deportationsliste II für die Deportationen aus Hessen

Gedenkbuch Bundesarchiv

Marchivum-Dokumentation: Stolpersteine

Der Stein liegt vor dem Haus Hintere Judengasse 6, Raschihaus.