Arthur Mayer wurde 1879 in Friedelsheim in der Pfalz geboren. Im Jahr 1905 zog er nach Worms. Zusammen mit Lionel Brodreich gründete er 1908 die Firma Brodreich & Mayer, Manufaktur- und Modewaren, Damenkonfektion, in der Kaiser-Wilhelm-Str. 24 – heute Wilhelm-Leuschner-Straße. Außerdem waren beide gemeinsam seit 1922 Inhaber der Firma Adolf Blün, Manufakturwaren und fertige Betten in der Kämmererstaße 16.
Arthur Mayer heiratete 1911 Emma Tuteur, 1885 in Kaiserslautern geboren.
Das Paar hatte drei Kinder und wohnte in der Kämmererstraße 16 im ersten Stock über den Geschäftsräumen.
Am 31.05.1912 wurde die älteste Tochter Lisbeth geboren. Dann begann der 1. Weltkrieg und Frau Gil, die Enkelin von Arthur Mayer, schrieb mir, dass ihr Großvater altersbedingt nicht mehr als aktiver Soldat dienen konnte, aber in der Armee beim Nachschub eingesetzt war.
Nach seiner Rückkehr kam dann am 22.02.1920 die zweite Tochter Ruth zur Welt. Der jüngste Sohn Franz wurde am 09.08.1922 in Worms geboren.
Schon früh, am 11.06.1937 starb die Ehefrau und Mutter, Emma Mayer. Ihr Grab auf dem neuen jüdischen Friedhof in Worms ist erhalten. Die beiden Geschäfte der Firma Brodreich und Mayer waren in Worms gut eingeführt und wohlbekannt. Wie alle Wormser Geschäfte, die von Juden geführt wurden, waren sie gleich nach Beginn des Dritten Reiches dem Boykott ausgesetzt. Am 1. April 1933 standen die SA-Posten vor den Geschäftsräumen und hinderten die Kunden am Betreten des Ladens. Danach sorgten immer weitergehende Maßnahmen für den Rückgang der Geschäfte.
Deshalb gaben die Inhaber das Geschäft in der Kämmererstraße bald auf. Das Hauptgeschäft in der Kaiser-Wilhelm-Straße konnte sich trotz allem noch bis 1938 halten. Einer polizeilichen Liste vom 9.4.1938 zufolge hatte die Firma noch vier Angestellte. Während des Novemberpogroms wurden die Geschäftsräume verwüstet. Durch die „Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Geschäftsleben“ vom 12.11.1938 waren Arthur Mayer und Lionel Brodreich gezwungen, ihr Geschäft an Nicht-Juden zu veräußern.
In Zusammenhang mit dem Pogrom vom 10.11.1938 wurde Arthur Mayer verhaftet und mit insgesamt 87 jüdischen Männern aus Worms und Umgebung ins KZ Buchenwald verschickt. Sein Geschäftspartner Lionel Brodreich war auch dabei. Die Lagerhaft dauerte für die Betroffenen zwischen einer Woche und einigen Monaten. Wann Arthur Mayer zurückkehren durfte, ist nicht bekannt.
Der Sohn Franz Mayer, besuchte zuletzt die 1. Klasse der jüdischen Bezirksschule, die die jüdische Gemeinde in ihrem Gemeindehaus in der Hinteren Judengasse 2 von Mai 1935 bis zum Winter 1940/41 unterhielt. Als erster der Familie verließ er Worms und ging am 2.8.1938, sechzehnjährig, mit der Jugendeinwanderungsbewegung Aliat Hanoar nach Palästina. Als Chaim Meir lebt er in Israel zusammen mit Kindern, Enkeln und Urenkeln. Die zweite Tochter, Ruth Mayer, die Schülerin des Eleonoren-Gymnasiums war, musste die Schule 1935 verlassen und besuchte dann die jüdische Bezirksschule. Neunzehnjährig emigrierte sie am 17.4.1939 nach England und lebte dort während des Krieges. Nach einem Lageraufenthalt in Zypern ließ sie sich in Israel nieder. Sie gründete eine Familie und starb 1995. Die älteste Tochter Lisbeth besuchte ebenfalls das Eleonoren-Gymnasium und machte anschließend in Mannheim am Fröbel-Seminar eine Ausbildung zur Kindergärtnerin. Sie leitete den jüdischen Kindergarten in Worms im jüdischen Gemeindehaus, Hintere Judengasse 2, bis zu dessen Schließung. 1939 zogen Arthur Mayer und seine älteste Tochter Lisbeth in die Moltke-Anlage 10 (heute Adenauerring) zu Jakob Mayer. Lisbeth Mayer wurde am 25.03.1942 mit weiteren 76 Wormsern in das Durchgangslager Piaski in Polen deportiert. Am 07.04.1943 wurde sie in Belzec ermordet. Arthur Mayer musste nach dem Abtransport seiner Tochter im Juni 1942 noch einmal die Wohnung wechseln. Zwangsweise wurde er im jüdischen Gemeindehaus, Hintere Judengasse 2, untergebracht. Am 30.09.1942 wurde er nach Polen deportiert. Vermutlich wurde er in Treblinka ermordet.
Quellen: Dokumentation Schlösser: Familienbogen Arthur Mayer V Familienbogen Lionel Brodreich Bundesarchiv Gedenkbuch Angaben von Nira Gil (Enkelin), Israel
19.06.2015 Brigitte Bauer, Warmaisa Worms
Die Steine liegen vor dem Haus Kämmererstraße 16.