Familie Buschhoff

Worms, Kaiser-Wilhelm-Str. 26 (Wilhelm-Leuschner-Str.)

Verlegungsort: Wilhelm-Leuschner-Str.26

Der jüdische Handlungsreisende Julius Buschhoff (Xanten 1855-1929 Worms) war 1881 von Stettin nach Worms zugezogen. Hier gründete er 1885 in der Dominikanerstraße eine Kleiderfabrik. 1887 heiratete er Ida Buschhoff geb. Strauß (Würzburg 1867-1942 Theresienstadt). 1897 übernahm Julius Buschhoff die Kleiderfabrik Leopold Sinzheimer mit Wohnhaus und Ladenlokal in der Kaiser-Wilhelm-Straße 26 (heute Wilhelm-Leuschner-Straße) sowie den anschließenden Fabrikationsräumen in der Renzstraße. Am Balkon des Hauses Wilhelm-Leuschner-Straße 26 sind noch heute die Initialen JB zu lesen. Das Ehepaar hatte vier Kinder, die alle in Worms geboren wurden: zwei Söhne: Willi, geb. 1888, und Friedrich (geb. 1891); zwei Töchter: Clara, geb. 1889, und Helene, geb. 1900.

Nach dem Tod des Vaters übernahm Friedrich die Firma. Er heiratete 1922 die ev. Christin Karoline Luise Buschhoff geb. Kamp (Ludwigshafen 1898-1963 Worms). Das Ehepaar hatte zwei Söhne: Walter Friedrich (geb. Worms 1923, Schauspieler, gest. 2010) und Peter Hans Heinz (geb. Worms 1927, Kaufmann). Beide waren evangelisch getauft.

Am 10. November 1938 wurde das Wohn- und Geschäftshaus der Herrenkleiderfabrikation Buschhoff schwer verwüstet. Da Karoline Luise Buschhoff, die während des Pogroms nicht in Worms war, eine Wiederherrichtung ihrer demolierten Wohnung nicht möglich war, ging sie zunächst mit ihren beiden Söhnen nach Wiesbaden, wo sie bis Kriegsende 1945 wohnen blieb. Die Söhne galten aufgrund der Nürnberger Gesetze als „jüdische Mischlinge ersten Grades“. Das Eigentum an der Kleiderfabrik, die damals vier Angestellte und 18-20 Schneider beschäftigte, wurde 1939 auf die beiden Söhne übertragen. Ebenso übertrug Ida „Sara“ Buschhoff ihr Hauseigentum Kaiser-Wilhelm-Straße 26 auf ihre beiden Enkel. Das Ladengeschäft musste im März 1939 verkauft werden, weil Frau Buschhoff über kein Einkommen verfügte und nur von einer Hypothek auf das Wohnhaus ihrer Söhne existieren konnte.

Die beabsichtigte Wiedervereinigung de Familie kam nicht zustande. Der Vater Friedrich Buschhoff war zunächst nach Mainz und dann zu seiner Mutter Ida nach Berlin gegangen, wo diese seit 1930 lebte. Von dort aus kam er in das KZ Buchenwald und starb unter ungeklärten Umständen. 1945 wurde er für tot erklärtIda Buschhoff wurde deportiert und ist 1942 im KZ Theresienstadt umgekommen.

Nach Kriegsende kam Karoline Luise Buschhoff, die in der NS-Zeit standhaft eine Scheidung von ihrem Mann Friedrich verweigert hatte, nach Worms zurück. Sie übernahm wieder die Kleiderfabrik und führte sie unter dem Namen Gebrüder Buschhoff Worms, Herrenkleiderfabrik

Da Frau Buschhoff keine Jüdin im Sinne der Nürnberger Gesetze sondern „Arierin“ war, stellte sie einen Antrag auf Ausgleichsentschädigung des nicht ihrem Mann, sondern ihr infolge der Verwüstung entstandenen Sachschadens. Das umständliche und langwierige Verfahren mit akribischer Wertermittlung brachte ihr jedoch nichts ein. Die angefertigte Aufstellung der zerstörten Güter belegt aber auch, dass die SA geradezu blindwütig zu Werke gegangen war. Und sie belegt, dass die deutschen „Volksgenossen“ sich als Diebe und Plünderer betätigt hatten.

Was wurde aus Willi Buschhoff, dem hochkünstlerisch begabten Bruder von Friedrich Buschhoff? Er war Schauspieler, Graphologe und Schriftsteller. Willi lebte längere Zeit in Wiesbaden und in Berlin-Charlottenburg. 1934 kam er nach Worms zurück und schrieb für das „Israelitische Familienblatt“ 1936 einen Roman „Jugend stellt sich um“. Thema ist die Ausbildung junger Juden in landwirtschaftlichen Kenntnissen als Vorbereitung auf die Auswanderung. Nach dem Novemberpogrom 1938 blieb er in Worms. Erfolglos bemühte er sich um einen Pass für die Auswanderung. So meldete er sich 1940 nach Berlin ab, wo er zu seiner Mutter Ida zog. Von dort aus wurde er deportiert und starb in Auschwitz. Seine Mutter starb 1942 in Theresienstadt.

Bearb.- Fritz Reuter; Doku. Schlösser, Buschhoff I und II; Fritz Reuter, Prof. Dr. Hugo Sinzheimer – Vater des deutschen Arbeitsrechts. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte der Familien Sinzheimer und Buschhoff und ihres Hauses Wilhelm-Leuschner-Straße 26 in Worms, in: Sachor. Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz. Hrsg. Mathias Molitor und Hans-Eberhard Berkemann in Zusammenarbeit mit der Landeszentrale für politische Bildung Rheinland-Pfalz. 8. Jg., Ausgabe 1/98, Heft 15, S. 45-48.

 Verlesen von Fritz Reuter.