Worms, Andreasstraße 23 Verlegungsort: Andreasstraße 23
Moritz Mayer wurde am 9. März 1884 in Alsheim geboren. Verheiratet war er mit der am 14. März 1899 in Stadtecken/ Rheinhessen geborenen Irma Mayer, geb. Neumann. Zu Beginn des I. Weltkrieges 1914 meldete er sich freiwillig, bei Kriegsende war er Leutnant. Ausgezeichnet wurde er mit dem EK II., der hessischen Tapferkeitsmedaille und dem 1934 von Reichspräsident v. Hindenburg gestifteten Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Nach 1918 gehörte Mayer dem deutschen Offiziersbund, der kameradschaftlichen Vereinigung ehemaliger Offiziere im Landkreis Worms und dem Hassia-Artillerie-Verein an. Politisch engagierte er sich in der Demokratischen Partei und im „Reichsbanner“.
Anfang der Zwanziger Jahre ließ sich Moritz Mayer in Worms als Weinkommissionär und Weinhändler nieder. Die Familie mit den Kindern Ruth (geb. 1922, Alsheim), Manfred (geb. 1926, Worms) und Erich (geb. 1928, Worms) wohnte im eigenen Haus in der Andreasstraße 23. In Alsheim unterhielt Mayer weiterhin ein Weinkommisionärsgeschäft, besaß ein eigenes Haus und Weinberge.
Beim Kristallnacht-Pogrom am Morgen des 10. Novembers 1938 wurde die Wohnung der Mayers total verwüstet. Die nur mit Schlafanzügen bekleideten, verängstigten Kinder mussten zusehen, wie Möbel und Einrichtungsgegenstände durch die Fenster herab in den Hof des Anwesens geworfen wurden.
Am 11. November wurde Moritz Mayer mit weiteren 86 jüdischen Männern aus Worms und Umgebung verhaftet und vorübergehend in das KZ Buchenwald eingeliefert. Nach der Rückkehr aus Buchenwald und unter dem Eindruck dieser Bedrängnisse entschlossen sich die Eltern, ihre Kinder in Sicherheit zu bringen. Am 3. Januar 1939 kamen Ruth, Fred und Erich zunächst zu einem Vetter nach Soultz Sous Forêts im Elsass (Frankreich). Im April gelangte Ruth nach England zu einer Schwester ihrer Mutter, wohin sich auch Irma Mayers Vater, Markus Neumann, flüchten konnte. Ruth heiratete 1945 und ging im folgenden Jahr mit ihrem Mann in die USA. Die Söhne Manfred und Erich kamen 1940 zu einer Tante, einer Schwester ihres Vaters in Vichy. Letztlich gelang es ihnen, den Krieg in Südwestfrankreich zu überstehen. Nach 1945 gingen auch sie in die USA.
Die Eltern hatten um 1940 die Ausreise in die USA beantragt, erlebten sie aber nicht mehr. Sie wohnten weiterhin in ihrem Haus in der Andreasstraße 23, mussten es aber vom Winter 1940 an mit 8 zwangsweise eingewiesenen Personen teilen. Am 20. März 1942 wurden Irma und Moritz Mayer mit einem Massentransport nach Piaski/Polen deportiert. Zwei Postkarten, die Moritz Mayer am 12. August und 15. August 1942 aus dem „Judenlager“ Cholm bei Lublin an Verwandte in Italien schrieb, sind ihr letztes Lebenszeichen. Moritz und Irma Mayer starben in der Folgezeit nach heutigem Wissen im „Vernichtungslager“ Belzec.
Erich und Fred Mayer haben sich mit Prof. Henry Hüttenbach, Gerd Spies, Miriam Gerber und weiteren früheren Wormser Juden um das Gedenken an die ermordeten jüdischen Wormser und an die tausendjährige Geschichte des jüdischen WARMAISA große Verdienste erworben. Ihnen ist es mit zu verdanken, dass die so grausam und verbrecherisch zerstörten Beziehungen zwischen jüdischen und nichtjüdischen Wormsern wieder angeknüpft und gefestigt wurden. Auch daran soll dieser Stolperstein erinnern.
Bearb. Fritz Reuter; Doku. Schlösser, Mayer XVI;
persönliche Kontakte Familie Dr. Reuter, Worms.
Verlesen von Fritz Reuter.
Der Stein liegt vor dem Haus Andreasstraße 23