Halle, Joseph,
Kaufmann, geb. 15.10.1873 in Klein-Heubach (Unterfranken, Kreis Miltenberg), verheiratet seit 7.1.1912 mit
Halle, Berta, geb. Wolf.
geb. 23.6.1880 in Bonn, kinderlos
Die Eheleute Halle wohnten seit 1929 Burkhardstraße 16. Der aus dem Unterfränkischen stammende Joseph Halle war 1909 von Frankfurt nach Worms zugezogen. Seine Frau kam mit der Verheiratung nach Worms, beide wohnten zuerst in der Goethestraße 29. Im Wormser Adressbuch ist Joseph Halle erstmals 1913 verzeichnet mit „Kurzwaren en gros“, Goethestraße 29. 1918 betrieb er Agenturen, Speyererstraße 72, 1920 eine Kautabakfabrik und Großhandlung in Tabakfabrikaten ,Speyererstraße 72, 1922 Halle & Cie., Großhandlung in Tabakfabrikaten, Alzeyerstraße 160 (Briefkopf 30/289, zehn Arbeiter beschäftigt mit Sortieren und Rollen von Tabakblättern). Über seine spätere berufliche Tätigkeit liegen keine Angaben vor.
Die Eheleute Joseph und Berta Halle sahen im Dritten Reich für sich offenbar keine Zukunft mehr. Vier Wochen nach der Kristallnacht, am 8.12.1938 wurden beide in ihrer Wohnung Burkhardstraße 16 tot aufgefunden. Sie waren freiwillig aus dem Leben geschieden. 1937 waren lt. Adressbuch noch weitere vier Parteien im Haus wohnhaft.
Aus dem in den Polizeiakten im Stadtarchiv erhaltenen Auffindungsprotokoll der Leichen (13/926, betr. Tragisches Ableben der Jüdin Berta Halle geb. Wolf bzw. des Juden Josef Halle) geht hervor: Das Ableben erfolgte in der Nacht vom 7. auf den 8.12.1938, die Toten wurden morgens gegen 9.45 Uhr von zwei Beamten aufgefunden, und zwar „Auf dem Dachboden des Hauses in Worms, Burkhardstr. 16, hängend am Querbalken“, bekleidet war Berta Halle mit einem grauen Wintermantel, weißem Nachthemd und Hausschuhen. Die Leichenstarre war bereits eingetreten. Bei ihrem Mann heißt es ähnlich, zudem vermerkt der ausgefüllte Fragebogen: „Es liegt einwandfrei Selbstmord vor, zumal die Polizei von dem Ableben der Verstorbenen vorher durch ihren Ehemann in Kenntnis gesetzt wurde“. Die Wohnung wurde versiegelt. Joseph Halle trug bei seinem Ableben „einen dunklen Anzug, ein weißes Hemd und beige Hausschuhe. Die Leiche trug Brille“. In den Manteltaschen fanden sich eine Taschenlampe und ein Hausschlüssel. In der Wohnung fand man einen Abschiedsbrief an eine Familie Silber, eine Stromverbrauchsrechnung, eine Karte an Dr. Herbert in Worms, eine goldene Uhr mit Kette, die Trauringe und einen Geldbetrag von 11,86 bestimmt für Totenwache. Bei Dr. Herbert handelt es sich vermutlich um Direktor der Delta-Werke am Floßhafen Dr. Jakob Herbert (1882-1975)., mit dem die beiden offenbar noch Kontakt hatten, eine Familie Silber ist in Worms nicht nachgewiesen, vielleicht ist gemeint der Uhrmacher Silberberg aus der Roonstraße.
Das kinderlose Ehepaar Halle, ohne nachweisbare Verwandte und insgesamt eher isoliert, sicher wirtschaftlich nicht auf Rosen gebettet, plante und vollzog seinen Suizid nach den Schrecknissen des Novemberpogroms und sorgte durch vorherige Mitteilung an die Polizei dafür, dass ihre Leichen bald gefunden würden des Nachts auf dem eisigen Dachboden dieses Hauses. Das letzte Vermögen sollte für die Totenwache dienen. Gerade weil diese beiden Wormser keine weiteren Spuren hinterlassen haben, weil sie eher unauffällig lebten, kann man ihnen so durch das Setzen der beiden Steine vor ihrer letzten Anschrift Namen wiedergeben.
Text: Dr.Gerold Bönnen
Die Steine liegen vor dem Haus Burkhardstraße 16