Hermann Gusdorf

Die beiden Söhne Hermann und Sigmund von August Gusdorf (geb. 25. 3. 1851, vgl. oben unter 2) und Klara geb. Adelung (geb. 25. 3. 1859 in Fürth/Bayern) gründeten 1910 eine eigene Möbelfabrik in Hochheim, Binger Straße 32. Hermann Gusdorf, geb. 23. 4. 1888 und verheiratet mit Jenny geb. Heilmann (geb. 31. 1. 1902) war eine in Worms sehr angesehene Persönlichkeit, arbeitete in etlichen vereinigungen mit unterschiedlicher Aufgabenstellung mit und war u. a. Mitglied der Turngemeinde Worms.   Obgleich er an Asthma litt, hatte er seinen aktiven Wehrdienst abgeleistet und  während des Ersten Weltkrieges 1914-1918 Offiziersstellvertreter an der Front. Nach einer schweren Verwundung fand er bei der Bewachung des Wormser Kriegsgefangenenlagers an der Alzeyer Straße (heute Bereich Wormatia-Stadion) Verwendung. Wie allen Weltkriegsteilnehmern wurde auch ihm 1935 das von Reichspräsident Paul von Hindenburg gestiftete Ehrenkreuz für Frontkämpfer verliehen.

   Erinnert werden soll auch an den jüngsten Bruder von Hermann und Sigmund, Jakob Paul Gusdorf. Er wurde am 23. 5. 1889 in Worms geboren und ist am 18. 11. 1914 bei Ypern gefallen. Bei Kriegsbeginn 1914 befand er sich in Spanien, bemühte sich als Vizefeldwebel der Reserve sofort um die Rückkehr nach Deutschland, um seinem Vaterland zu dienen. Der Verleihung des EK I kam sein Soldatentod zuvor. Am. 11. 1914 schrieb die liberale Wormser Volkszeitung: „Ein wahrer Deutscher, voll glühender Vaterlandsliebe, ein prächtiger Kamerad ist mit ihm dahingegangen. Die ihn kannten, werden seiner stets in Liebe gedenken.“ Auf dem Ehrenmal für die im Ersten Weltkrieg gefallenen Wormser Juden auf dem Neuen Jüdischen Friedhof ist sein Name zu finden.

Wie lange hat diese Erinnerung im kollektiven Gedächtnis Bestand gehabt? Nicht einmal in der Altersgeneration der Brüder Gusdorf!   Infolge der von den Nationalsozialisten  durchgeführten wirtschaftlichen Behinderung jüdischer Betrieb musste die Möbelfabrik 1934 Konkurs anmelden. Da es Betriebsangehörigen nicht gelang, den Betrieb weiterzuführen, musste er geschlossen werden. Daraufhin wurde er von einem der NSDAP angehörenden Zimmermeister  übernommen Hermann Gusdorf versuchte, als Möbelvertreter seine Familie durchzubringen.    Mit am schwersten hat Hermann Gusdorf getroffen, dass er vom Vorstand der Turngemeinde Worms zum Austritt gedrängt wurde. Verbittert gab er seine Ehrendiplome und seine Ehrenurkunde für 25 Jahre Mitgliedschaft zurück. Der Verein hat sich bis heute nicht bereit gefunden, sein Bedauern auszusprechen, obgleich der Hinauswurf, um den es sich letztlich handelte, in der von Harald Braun verfassten Geschichte der TGW festgehalten ist. Mit Hermann Gusdorf waren noch rund 40 weitere jüdische ehemalige Mitglieder betroffen. Von ihren zum Teil jahrzehntelangen Mitgliedern haben sich auch weitere Vereine getrennt, darunter der VfR Wormatia und der Wormser Altertumsverein, der sich allerdings dazu bekannt und um die Wiederherstellung des Wissens um das jüdische Worms bemüht hat.

   Beim „Kristallnacht-Pogrom“ wurde die Wohnung der Familie schwer in Mitleidenschaft gezogen. Unter den 87 am 10. November 1938 verhafteten Wormser Juden, die nach dem KZ Buchenwald verbracht wurden, waren auch Hermann und Sigmund Gusdorf. Während Sigmund zurückkehren konnte, starb Hermann am 16. 12. 1938 in Buchenwald. Seine Urne kam nach Worms und wurde auf dem neuen jüdischen friedhof an der Eckenbertstraße beigesetzt. Die Setzung eines Kissensteins erfolgte erst am 5. 7. 1992. 

  Nach der Verwüstung ihrer Wohnung zog Jenny Gusdorf mit ihren Kindern Franz August (jetzt Frank) und Ruth ebenso wie ihre Schwägerin Anna Gusdorf (vgl. 6) in das Haus des Arztes Dr. Gernsheim in der Schlossgasse (dort ein Stolperstein), der sich mit seiner Frau am 29. 7. 1938 das Leben genommen hatte. Hier betrieb sie die Auswanderung. 

Sohn Frank kam am 9. 6. 1939 mit einem Kindertransport nach London, Mutter und Tochter Ruth verließen Worms am 11. 11. 1939 und gingen in die USA. Dort lebte noch der Vater von Jenny Gusdorf bei ihnen.

Der Stein liegt vor der Dreihornmühlgasse 1  in WO-Hochheim

Der Text wurde verfasst und verlesen von Hendrik Egli.