Karl Markus

Karl Markus, geb. 29. 5. 1880 in Kirchhain bei Kassel, und seine am 20. 4. 1880 in Saarbrücken geborene Frau Karoline geb. Lion, waren mit ihrem Sohn Rudolf, geb. 24. 8. 1908, von Saarbrücken nach Worms umgezogen. Die Familie, der am 10. 3. 1921 noch die Tochter Lieselotte geboren wurde, wohnte zunächst in der Schlossergasse 7, dann in der Hardtgasse 11. Dort bestand seit 1920 die Firma „Karl Markus und Co., GmbH, Tabakwaren-Großhandlung und Seilerwaren“.

1927 bezog die Familie das neuerbaute Reihenhaus Im Römergarten 14 in Worms-Hochheim.   

Sohn Rudi besuchte die Oberrealschule (heutiges Gauß-Gymnasium). Nach dem Abitur studierte er seit 1929 zunächst in Frankfurt am Main, dann in Freiburg. Seit Juni 1933 war er in Dänemark. Der Judenaktion im Oktober 1943 entkam er mit Hilfe dänischer Freiheitskämpfer durch Flucht nach Schweden. Nach Kriegsende kehrte er nach Dänemark zurück und lebte verheiratet in Kopenhagen bis zu seinem Tod am 22. 6. 1972.  

Tochter Lieselotte, genannt Lilo, besuchte die Wormser Eleonorenschule (heute Eleonorengymnasium). Wie andere jüdische Schülerinnen fühlte sie sich zunehmend der Ausgrenzung ausgesetzt und verließ deshalb 1935 die Schule. Ab Februar 1937 besuchte sie in Havelberg das Landgut Freund, wo sie sich zwei Jahre lang auf die Auswanderung nach Dänemark vorbereitete. 1940 heiratete sie dort Hans Albert Wahrburg, im selben Jahr wurde ihr Sohn Ruben Walter geboren. Auch die Familie Wahrburg entkam der Judenaktion im Oktober 1943 nur mit Hilfe dänischer Freiheitskämpfer nach Schweden.

Lilo Wahrburg, deren Mann 1956 gestorben ist, lebt noch heute in Helsingborg/Schweden.  

Karl Markus musste als Folge der nationalsozialistischen Boykott- und Behinderungsmaßnahmen sein Geschäft aufgeben. Er und seine Frau verließen 1937 Worms und gingen nach Bad Nauheim, wo beide an einer jüdischen Schule für Auswanderer unterrichteten.

Nach dem Kristallnacht-Pogrom am 10. November 1938 wurde die Schule geschlossen, das Ehepaar Markus zog nach Berlin. Dort arbeitete Karl Markus weiter an einer „Umschichtler-Schule“ für Auswanderer in Berlin-Weißensee. Karoline Markus starb am 4. 9. 1942 im jüdischen Krankenhaus wahrscheinlich an Unterversorgung. Nachdem im Februar 1943 die jüdische Schule aufgelöst wurde, musste Karl Markus in einer Munitionsfabrik Zwangsarbeit leisten. Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt nach Auschwitz deportiert, wurde Karl Markus zum 8. 5. 1945 wurde für tot erklärt.

Der Stein liegt  vor Im Römergarten 14 in WO-Hochheim

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Es folgte ein Lesetext von Lilo Warburg, Tochter von Karl Markus:

 Für Annelore, zum 10. März 2008, bei der Setzung des Stolpersteins vor dem ehemaligen Haus der Familie Karl Markus, im Römergarten 14, Worms-Hochheim. 

 Ich, Liselotte Wahrburg, geb. Markus, möchte ein paar Worte über meinen Vater Karl Markus sagen, der in meiner Erinnerung immer noch lebendig geblieben ist: Als wir 1927 in dieses damals neugebaute Haus einzogen, war die größte Freude meines Vaters endlich wieder ein  Stück Erde bearbeiten zu können. Er war nämlich  ein ausgebildeter Gärtner und Baumschulen-Experte. Hinter dem Haus war(und ist immer noch) ein Garten, und damals auch vor dem Haus ein sog. Vorgarten. Mitten im hinteren Garten stand ein Birnbaum der die saftigsten Birnen erzeugte die ich jemals wieder essen durfte. Mein Vater machte aus dem Garten ein kleines Weltwunder. Auf dem  gar nicht so umfangreichen Areal pflanzte und säte er fast alle Gemüsesorten,  pflanzte Erdbeeren und Tomaten, einen Fliederbaum auf einem kleinen Rasen, wo jährlich am 10. März mein Geburtstag gefeiert wurde. Seine größte Leidenschaft aber waren seine Rosen, die er fachmännig  zu veredeln verstand. Sie wurden von allen Nachbarn bewundert! Auch waren seine Tomaten immer die ersten welche reif waren. Auf Fragen der Nachbarn, wie er sie düngt, sagte er: „ Ich gehe immer morgens so um 5 Uhr rum raus zu ihnen und erzähle ihnen unanständige Witze. Dann werden sie sofort rot, denn es sind anständige Pflanzen. Mein Vater war sonst auch ein geselliger Mensch , erzählte gerne Witze und Anekdoten, oft immer die gleichen, und man uzte ihn auch damit indem man ihn bat:“ Ach, erzähl doch mal den Witz vom Spucknapf“. Da haben alle gleich lachen müssen, weil er den schon X-Mal erzählt hatte. Doch er lachte dann fröhlich mit und war nicht beleidigt. Im Vorgarten hatte er ein schönes Blumenbeet angelegt, Rosen und Dahlien, die immer bewundert wurden. Als mein geliebter Kanarienvogel starb, wurde er in einer Zigarrenkiste dort beerdigt. Mein Vater hielt eine kleine Abschiedsrede, ich war  ca. 8-9 Jahre alt und trauerte sehr um ihn. Wir waren sehr glücklich im Römergarten 14….. doch bald änderte sich alles. Das Jahr 1933  beendete unser bescheidenes Dasein. Ich werde nie vergessen als mein Vater eines Tages nach hause kam und erzählte, dass ein paar junge Mädchen  ihn auf dem Weg nach Hochheim angespuckt haben, und ihn „schmutziger Jude“ beschimpft haben. Das war der erste Schock in meinem jungen Leben! Meinen Vater so beleidigt zu haben, wo er doch 4 Jahre lang für Deutschland im ersten Weltkrieg in Russland gekämpft hatte!!! Was dann im Laufe der kommenden Jahre  in ganz Deutschland und in den okkupierten Ländern geschah ist allgemein bekannt. Ich danke allen die sich um diesen Stolperstein bemüht haben, der an  meinen Vater fuer immer erinnern soll. Er war ein ehrlicher einfacher Mann, der keinem etwas Böses antun wollte.

 Tochter Liselotte. Helsingborg/ Schweden      

Im Römergarten 14 wurde der Stein verlegt.