Moritz, Bernhard, Joseph und Sigmund Resch

Humboldtstr. 11

Resch, Moritz

            Bernard

            Joseph

            Sigmund

Stolpersteinverlegung für Moritz, Bernhard, Joseph und Sigmund Resch am 29.9.2016 in der Humboldtstraße 11, Worms.

Von Gundula Werger

Am 29. September 2016 wurden vier Stolpersteine für Angehörige der Familie Resch in der Humboldtstraße 11 verlegt. Es handelt sich um Moritz Resch und dessen Söhne Bernhard, Joseph und Sigmund. Die Recherche zu den Biographien erfolgte im Leistungskurs Geschichte am Gauß– Gymnasium unter Anleitung von Gundula Werger. Die Schülerinnen und Schüler des Kurses haben den Gedenkstein für Bernhard Resch gestiftet. Bernhard und seine beiden Brüder waren Schüler der Oberrealschule – der Vorgängerschule des heutigen Gauß– Gymnasiums.

Aus dem Familienbogen, den Karl und Annelore Schlösser angelegt haben, sowie aus Meldekarten und Adressbüchern, die im Stadtarchiv aufbewahrt werden, entnehmen wir die folgenden Informationen. Jonathan Schulz hat diese Quellen für seine 2016 vorgelegte Facharbeit ausgewertet. Eine Anfrage beim Internationalen Suchdienst in Bad Arolsen ergab weitere Hinweise für die Schicksale von Bernhard und Joseph Resch.

Moritz Resch, dessen jüdischer Vorname „Moses“ lautete, wurde am 19.11.1879 in Kolomea im damaligen Kaiserreich Österreich– Ungarn geboren. Nach dem Ersten Weltkrieg gehörte die Stadt zur Republik Polen, so dass Moritz Resch ab diesem Zeitpunkt die polnische Staatsangehörigkeit besaß, was auch seine Söhne betreffen wird. Als Kaufmann ging Moritz Resch nach Deutschland, wobei wechselnde Wohnsitze zu verzeichnen sind. Im Jahr 1907 heiratete er Jetti Leia (Ida) Rosenrauch, die am 15.6.1883 ebenfalls in Kolomea geboren wurde. Die Hochzeit fand in Worms statt. Dort wohnten Jettis Schwester Adele und deren Mann Ignaz Ziegellaub. Moritz Resch arbeitete im Möbelhaus seines Schwagers am Ludwigsplatz.

Moritz und Jetti Resch bekamen drei Söhne. Bernhard wurde am 10.8.1908 in Kaiserslautern geboren, wo die jungen Eheleute zum damaligen Zeitpunkt wohnten. Der Zweitälteste, Joseph, wurde am 3.8.1909 in Worms geboren; der Jüngste, Sigmund, am 3.3.1912 in Münster. Ende des Jahres 1912 ließ sich die junge Familie Resch wieder in Worms nieder, wobei die Wohnadressen wechselten. Das hat offenbar auch mit Problemen zwischen den Eheleuten zu tun. Vorübergehend trennten sich die Eltern. Nach Beginn des Ersten Weltkrieges wohnte die Familie wieder zusammen in der Ludwigsstraße 1, im Haus des Schwagers. Kurz darauf bezog sie eine eigene Wohnung in der Humboldtstraße 11. Diese Adresse sollte bis zum Jahr 1932 Bestand haben. Im Februar 1915 wurde der Familienvater eingezogen und blieb bis zum Kriegsende Soldat in der österreichischen Armee.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Moritz Resch wieder im renommierten Möbelhaus des Schwagers am Ludwigsplatz, das unter dem Namen „E.Scheiring“ firmierte, tätig. Am 1.12.1919 gründete Resch eine eigene Firma, die Firma „Resch und Co.“, die jedoch bereits im April 1921 wieder aufgelöst wurde. Danach arbeite Moritz Resch wieder im Möbelhaus des Schwagers.

Alle drei Brüder Resch besuchten zunächst – anstelle der Volksschule – die kostenpflichtige Vorschule, wo Kinder eigens auf das Gymnasium vorbereitet wurden. Danach waren die Brüder für einige Jahre Schüler der damaligen Oberrealschule in Worms. In Schülerlisten, die heute im Stadtarchiv aufbewahrt werden, sind die Namen der Geschwister und die Klassen, die sie besucht haben, verzeichnet. Bernhard Resch trat im Schuljahr 1917/18 in die fünfte Klasse, die „Sexta b“ ein, in der 52 Schüler versammelt waren. 1925 verließ er die Schule mit dem Realschulabschluss. Er musste eine Klasse wiederholen, wie übrigens auch seine beiden jüngeren Brüder. Als „Korrektor“ arbeitete Bernhard danach bei der damaligen „Wormser Volkszeitung“. Joseph besuchte von 1918 bis 1922 die Oberrealschule und machte anschließend eine kaufmännische Lehre. Der Jüngste, Sigmund, besuchte die Oberrealschule seit dem Schuljahr 1921/1922 und verließ die Schule im Jahr 1926 in der „Untertertia“, der achten Klasse. Anschließend machte er eine Lehre bei einer Baufirma.

Die Mutter der drei Resch- Söhne starb am 5. November 1930 in Worms und wurde auf dem jüdischen Friedhof in Hochheim beerdigt. Dort befindet sich noch heute ihr Grabstein: Sieben Kerzen sind in den schwarzen Marmor eingraviert – ein stilisierter siebenarmiger Leuchter. Es folgen der Name: Jetti Resch, geborene Rosenrauch, sowie die Lebensdaten – auf Hebräisch und auf Deutsch.

Als die nationalsozialistische Herrschaft begonnen hatte, änderte sich das Leben von Moritz Resch und seinen Söhnen innerhalb weniger Wochen. Moritz Resch, der polnischer Staatsbürger war, wurde unter dem nicht belegten Verdacht, einen Meineid geleistet zu haben, genötigt, das Deutsche Reich zu verlassen. Bereits am 6.5.1933 meldete er sich von Worms ab und ging nach Czernowitz, das damals zu Rumänien gehörte. Über Moritz Reschs weiteres Schicksal wissen wir nichts. Wir wissen aber, dass die Juden von Czernowitz, zu denen auch Paul Celan gehörte, in das dortige Ghetto oder in Arbeitslager gezwungen und viele von ihnen in die Todeslager Transnistriens deportiert und ermordet wurden.

Der älteste Sohn, Bernhard, verließ Worms am 28.6.1933 und ging nach Straßburg ins Exil. Elf Jahre später, am 15.5.1944, wurde er vom Sammellager Drancy bei Paris ins litauische Kaunas deportiert. Dort befand sich ein Ghetto, in dessen Nähe die Deutschen Tausende Juden ermordet haben. Ein Teil der Menschen des Transportes wurde in die estnische Stadt Reval (heute: Tallinn) deportiert. Es ist nicht bekannt, wohin Bernhard Resch deportiert wurde und unter welchen Umständen er – vermutlich – umgekommen ist. (Quelle: Transportliste, Abschubliste Nr.73 des B.d.S. Frankreich, 1.1.9.1/11184236, ITS Digital Archive, Bad Arolsen).

Josef Resch war verheiratet und hatte Kinder. Aus der Korrespondenzakte des ITS entnehmen wir, dass er im Juni oder Juli 1941 in das Ghetto in Kolomea, der Heimatstadt seines Vaters, eingewiesen wurde. Als Beruf ist „Elektrotechniker“ angegeben. Offenbar war Joseph, nach einem Aufenthalt in Frankreich, über Holland nach Polen ausgewandert. Dort ist er im Zuge der „rassistischen Verfolgungsmaßnahmen verschollen“. Diese Formulierung steht in einem Brief des Frankfurter Rechtsanwaltes Joachim Volz, den dieser im Auftrag von Josef Reschs Sohn, Richard Resch, am 6.12.1965 geschrieben hat und der beim Internationalen Suchdienst aufbewahrt wird. (Korrespondenzakte B 47 084, 6.3.3.3/ 82705987, ITS Digital Archive, Bad Arolsen). Richard Resch, ein Enkelsohn von Moritz Resch, hat die nationalsozialistische Judenverfolgung überlebt. Wir wüssten gern mehr über Richard Reschs Schicksal.

Der Jüngste, Sigmund, war Mitglied der KPD und in deren Wormser Ortsgruppe aktiv. Am 19.3.1933 wurde er verhaftet und ins Konzentrationslager Osthofen verbracht. Außenminister von Neurath setzte sich für die Freilassung von Sigmund Resch, der die polnische Staatsangehörigkeit besaß, ein, nachdem die polnische Botschaft interveniert hatte. In einem Schreiben an Innenminister Frick erwähnt von Neurath „das blutbefleckte Hemd“ und einen Anzug, „ebenfalls mit getrockneten Blutflecken“. Die Kleidungsstücke des Sohnes waren dem Vater Moritz zugestellt worden. Sigmund wurde am 15.4.1933 aus dem Konzentrationslager entlassen. Er soll bald darauf nach Straßburg gegangen sein und wahrscheinlich nach Palästina ausgewandert sein. Dem Familienbogen ist außerdem zu entnehmen, dass er später – nach dem Krieg? – in Stockholm gelebt habe. Als einziger der drei Brüder hat Sigmund Resch überlebt.