Peter Spatz (1876 – Tod in Dachau 1940), Rosa Spatz geb. Spatz (1897 – Tod in Auschwitz), Recha Spatz (*1909), Sissel Spatz geb. Neubert (1864 – Deportation nach Treblinka), Aron Adolf Spatz (1895 – Tod in Auschwitz), Gustel Kaufmann geb. Spatz (*1910), Frieda Rosenblum geb. Spatz (1897- Tod in Auschwitz 1943)

Peter Spatz war mit seinen Eltern Salki Spatz und Myriam Weiß und seinem Halbbruder Adolf bzw. Aron Spatz von Neu-Sandez 1898 über Bingen nach Worms gekommen. Auch Isaak Spatz und seine Ehefrau Sissel geb. Neubert nahmen mit ihren 6 Kindern den strapaziösen Weg aus Neu-Sandez, einer Kleinstadt – damals noch zu Russland gehörend, später polnisch – im Südosten von Krakau auf sich. Über die Gründe Ihres Ortswechsels lässt sich nur spekulieren. Am wahrscheinlichsten scheint die Annahme, dass durch die Mai-Gesetze des russischen Zaren Alexander III., die eine Reihe von antijüdischen Maßnahmen beinhalteten, viele russische Juden nach Westen drängten und so eine Völkerwanderung in Gang setzten.

Vielleicht erhofften sich die Familien Salki und Isaak Spatz, die als Beruf Fellhändler angaben, in der Lederstadt Worms mit ihrer Profession einen guten Neustart.

Als Fellhändler und Händler wurden sie in Worms auch geführt und es begann auch recht verheißungsvoll. Das sich allmählich abzeichnende gute Leben wurde jedoch durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten brutal zerstört.

Die Eheleute Salki Spatz und Myriam Spatz, geb. Weiß erlebten noch, hochbetagt, den Anfang des Dritten Reiches. Beide starben in Worms 1935 und wurden auf dem neuen Judenfriedhof bestattet.

Die Zerstörung der mühsam aufgebauten Existenz ihrer Kinder durch die Nazis mussten sie nicht mehr miterleben. 

Ihr Sohn Peter Spatz wohnte mit seiner Familie 1900 in der Lutherbaumstraße 1, 1915 in der Römerstraße 72, ab 1922 in der Mähgasse 1 im eigenen Haus. Er war wie sein Vater Salki Spatz als Fellhändler tätig. 1902 heiratete er Scheindel Panzer. Von den sechs Kindern, Josef, Rosa, Guta, Dora, Recha und Gustel, die 1902 bis 1910 alle in Worms geboren wurden, lebten, als die Nazis die Macht übernahmen, nur noch die beiden Jüngsten, Recha und Gustel bei den Eltern. Peter Spatz‘ Ehefrau Scheindel Spatz starb in Worms am 21.7.1937 54jährig und ist auch auf dem neuen israelischen Friedhof beigesetzt.

Als in der Pogromnacht am 10.11.1938 das Haus von Peter Spatz in der Mähgasse 1 schwer verwüstet wurde, betrieb er das Geschäft des Fellhändlers schon nicht mehr. Die Ausschreitungen bedeuteten jedoch für den immer noch in bescheidenen Verhältnissen lebenden den Ruin. Außerdem gehörte er zu den 87 jüdischen Männern aus Worms und Umgebung, die am 10. und 11.11.1938 verhaftet und vorübergehend ins KZ Buchenwald verbracht wurden. Sein Leidensweg durch die Lager lässt sich genau verfolgen. Das Wenige, was er bei der Ankunft im Lager Buchenwald anhatte und besaß, listete der Häftlingseigentumsverwalter akkurat auf. Sogar seine fünf Taschentücher wurden notiert.

Peter Spatz, Überlieferungskarte von Buchenwald nach Dachau, 24.10.1940

Dem Fragebogen der Effektenkammer des Konzentrationslagers Buchenwald ist zu entnehmen, dass Peter Spatz am 8.9.1939 in Schutzhaft kam, durch die Staatspolizei Worms am 24.10.1939 in Buchenwald eingeliefert und am 24.10.1940 nach Dachau überführt wurde. Keine 2 Monate später zeigt die Staatspolizeileitstelle München am 24.12.1940 an, dass Peter Spatz am „22.12.1940 um 6 Uhr und 10 Minuten“ in Dachau an „Versagen von Herz und Kreislauf“ verstorben sei.

Fragebogen der Effektenkammer Buchenwald, 24.10.1940
Peter Spatz, KZ Dachau, Totenschein 31.12.1940

Die Urne mit seiner Asche kam nach Worms und wurde hier am 30.3.1941 auf dem neuen israelitischen Friedhof beigesetzt.

Sein Herkunftsort, Neu-Sandez, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein Zentrum des Chassidismus – hier wirkte Chaim Halberstam ab 1830 als Rabbiner – wurde im 2. Weltkrieg von den Deutschen besonders gründlich verwüstet.

Das gesamte ehemalige jüdische Viertel wandelten die deutschen Besetzer in ein Ghetto um. Im August 1942 begann man mit der Liquidierung des Ghettos, die Insassen wurden entweder hingerichtet oder ins Konzentrationslager Bełżec verschleppt. Obersturmführer Heinrich Hamman dachte sich für die jüdischen Bewohner die fürchterlichsten Gräueltaten aus: Das Landgericht Bochum erurteilte Heinrich Hamann im Jahre 1966 zu lebenslanger Haft. Gegenstand der Gerichtsverhandlung war die Erschießung von Juden in Neu-Sandez und die Liquidierung des dortigen Ghettos im August 1942. Dabei wurden mindestens 15.000 Juden ins Vernichtungslager Belzec deportiert und ermordet. Mitte der achtziger Jahre wurde Hamman aus dem Gefängnis entlassen. Seit 1985 lebte er in einem Altenheim in Bad Neuenahr und starb dort im April 1993.

Die Angehörigen der Familie Spatz waren polnische Juden und vom nationalsozialistischen Rassenhass besonders betroffen, deshalb fühlten sich viele nach Hitlers Machtergreifung mit Recht gefährdet und verließen, wenn möglich Deutschland schon bald, so auch Recha und Gustel Spatz.

Die beiden jüngsten Kinder von Peter und Scheindel Spatz haben noch 1933 bei den Eltern in der Mähgasse 1 gelebt. Tochter Gustel zog dann am 1.5.1934 nach Mannheim um, kehrte am 20.7.1936 zurück. Vom 16.9.1936 bis 16.6.1938 meldete sie sich erneut in Worms ab nach Ludwigshafen.

Nach dem Tod der Mutter 1937 kam sie zu ihrem Vater zurück, wanderte am 12.7.1938 oder 14.07.1938 aber endgültig nach New York aus zusammen mit ihrer Schwester Recha, die auch nach dem Tod ihrer Mutter im Elternhaus geblieben war. Recha lebt, nun verheiratete Turnofski, in New York, Gustel, verheiratete Kaufmann, in Pompano, Florida.

Aron auch Adolf Spatz, der Sohn aus 2. Ehe von Salki Spatz war der Halbbruder von Peter Spatz und heiratete am 6. März 1923 Rosa Spatz, die Tochter von Isaak Spatz und dessen Frau Sissel. Über seine berufliche Tätigkeit ist nichts bekannt. Die Eheleute wohnten ab 4.1.1929 in der Roonstraße 24, ab 1.8.1937 wohnten sie in der Siegfriedstraße 24 (Haus Zymbalista).

Das Ehepaar Adolf Aron Spatz meldete sich am 23.12.1937 nach Metz ab, kehrte jedoch am 12.5.1938 zurück und wohnte nun in der Mähgasse 1 beim Halbbruder des Ehemannes.  Am 31.7.1939 emigrierten beide Eheleute endgültig nach Paris, anderer Angabe zufolge nach Brüssel. Im 2. Weltkrieg waren sie in Frankreich interniert. Während Annelore und Karl Schlösser in ihrer Dokumentation „Die Wormser Juden 1933 – 1945“ (http://www.wormserjuden.de/) noch angenommen hatten, dass sie überlebt haben, sind beide von Belgien 1942 nach Auschwitz deportiert und dort ermordet worden. Das Todesdatum ist nicht bekannt.

Das Ehepaar Israel Isaak und Sissel Spatz folgte mit seinen 6 Kindern Moses, Hermann, Nathan, den Zwillingen Rosa und Frieda und Bernhard vier Jahre nach der Familie Salki Spatz von Neu-Sandez am 30.04.1902 nach Worms. Die Familie wohnte zuerst in der Römerstraße 42, ab 1914 in der Sterngasse 11 und seit 1915 in der Nordanlage 13. Zusammen mit Pinkus Horowitz und Leo Senkowitz, die auch in der Nordanlage 13 wohnten, betrieb Isaak Spatz Fellhandel. Nach seinem Tod 1925 war seine Ehefrau Sissel Spatz in Worms als Händlerin gemeldet.

Ihre Tochter Frieda Spatz, die Zwillingsschwester von Rosa Spatz heiratete am 8. Januar 1926 Abraham Rosenblum. Sie verzog nach Gladbeck, kam jedoch am 6.5.1927 nach gescheiterter Ehe wieder nach Worms zurück. Sie lebte bei ihrer Mutter in der Nordanlage 13 und war hier auch als Händlerin gemeldet.

Am 1.12.1938, vielleicht unter dem Eindruck des „Kristallnacht“-Pogroms, zog Sissel Spatz mit ihrer Tochter Frieda in die Mähgasse 1 zu Peter Spatz. Friedas Zwillingschwester Rosa war ja mit Aron Spatz dem Halbbruder von Peter Spatz verheiratet. Ein Jahr später am 19.12.1939 wechselten sie in die Siegfriedstraße 24 (Haus Zymbalista), um am 16.12.1939 nach Frankfurt/Main zu ziehen. Beide scheinen noch weiter nach Berlin gegangen zu sein, denn das war für beide der letzte Wohnort vor der Deportation.

Frieda Rosenblums Berliner Adresse wird in der Transportliste 28 mit Immanuel-Kirch-Straße 30 angegeben. Es ist anzunehmen, dass Mutter Sissel auch dort wohnte. Ihre Deportation in die Vernichtungslager erfolgte jedoch getrennt.

Sissel Spatz wurde von Berlin aus nach Minsk deportiert und gilt laut Yad Vashem als ermordet.

Ihre Tochter Frieda Rosenblum ist mit dem 28. Osttransport am 13. 11.1943 von Berlin nach Auschwitz deportiert und dort auch ermordet worden. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt. 

Für die weiteren Familienangehörigen der Familie Peter Spatz werden hier keine Steine verlegt, weil ihre letzte Wohnadresse nicht in der Mähgasse 1 war.

Auch ihr Schicksal zeigt, wie systematisch die Nationalsozialisten die jüdische Bevölkerung in ganz Europa ausrottete. Deswegen sei ihr Schicksal hier auch kurz erwähnt werden.

Rosalie Spatz, geb. 01.04 1920 in Worms die Enkelin von Sissel Spatz, steht ebenso auf der Liste der Ermordeten von Yad Vashem. Sie wurde, 13 Jahr alt, in Worms abgemeldet mit Ziel Belgien. Während des Krieges war sie in Bentschen, Polen. Der Todesort ist nicht bekannt.

Rosa Spatz, die Tochter von Peter Spatz (*1903) konnte mit ihrem Mann Arnold Baida aus Ludwigshafen in die USA emigrieren. Sie starb in Baltimore im März 1980, ihre beiden noch in Deutschland geborenen Kinder Erwin und Margot (Zipper) wohnten ebenfalls in Baltimore.

Ihre Schwester Guta Spatz verheiratet mit Isaak Fischelberg lebte mit ihrem Mann in Frankfurt und ist mit ihrer Familie auch der planmäßigen Judenverfolgung zum Opfer gefallen. Ihr Vater Peter Spatz gab in Buchenwald als Kontaktadresse Geni Fischelberg, Frankfurt Main, Musikantenweg 5) an. Sie ist mit ihrer Tochter Mira in Maidanek verschollen.

Eheleute Dora geb. Spatz (dritte Tochter von Peter Spatz) und Bernhard Pellig emigrierten am 1.10.1939 nach Belgien. Dora Spatz wurde von Drancy am 2.12.1943 nach Auschwitz deportiert und gilt als verschollen.

Quellen:

Dokumentation Annelore und Karl Schlösser (http://www.wormserjuden.de/), Stadtarchiv Worms Adressbücher, Dokumente ITS Arolsen, Yad Vashem Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer, Wikipedia NiNaAZ

Peter Spatz, ehemaliges Wohnhaus, Mähgasse 1_Aufnahme 28.08.2021_Fotograf Manfred Dröge

Die Steine liegen vor dem Haus Mähgasse 1.