Die Vorfahren von Siegfried Gusdorf kamen ursprünglich aus Gossmannsdorf bei Ochsenfurt am Main. Die Familie ist seit dem 18. Jahrhundert in Worms nachweisbar, wo Siegfrieds Großvater Markus Gusdorf eine 1852 im Adressbuch belegte Möbelhandlung und -fabrik einrichtete. Seine Söhne August und Isidor erweiterten die zunächst in der Kämmererstraße 27 betriebene Firma und verlegten sie an den Obermark 12, wo die Familie auch wohnte. Eine Filiale bestand in der Kaiser-Wilhelm-Straße (Wilhelm-Leuschner-Straße) 32.
Augusts (gest. 1919) Söhne Hermann und Sigmund (vgl. unter 5 und 6) gründeten 1910 in Worms-Hochheim eine eigene Möbelfabrik. Die alte Firma am Obermarkt wurde als „Isidor Gusdorf & Sohn, Möbelfabrik und Lager, Obermarkt 12“ weitergeführt. Nach Isidors Tod übernahm sie sein am 17. 08. 1878 in Worms geborener, lediger Sohn Siegfried Gusdorf. Teilhaberin war seine Schwester Else verheiratete Reis, deren Mann Arnold Reis in der Firma mitarbeitete.
Siegfried Gusdorf, der im Ersten Weltkrieg noch 1917-1918 als Landsturmmann zum Kriegseinsatz eingezogen worden war, galt als solider Kaufmann und honoriges Mitglied der Stadtbürgerschaft. Wie seine Vettern August und Sigmund war er Mitglied der Turngemeinde Worms, bis er 1933 als Jude zum Austritt veranlasst wurde. Die Firma konnte er aufgrund der wirtschaftlichen Boykottmaßnahmen der Nationalsozialisten nicht mehr halten, so dass er sie noch vor 1937 aufgeben musste.
Die verwitwete Schwester Else Reis (geb. 8. 6. 1886) emigrierte 1939 über die Schweiz nach Johannisburg/S.A.
Zur gleichen Zeit musste Siegfried, dessen Haus am Obermarkt unter Zwangsverwaltung stand und der keine Einkünfte mehr hatte, in das Jüdische Altersheim, der Hintere Judengasse 6 (heute dort das Raschi-Haus), umziehen. Von dort aus wurde er, angeblich „unbekannt verzogen“, in Wahrheit mit dem Sammeltransport vom 2. 9. 1942 von Worms nach Theresienstadt deportiert. Dort ist er am 18. 12. 1942 gestorben.
Eine weitere Schwester, Therese Hamburger geb. Gusdorf (geb. 2. 9. 1879), ist wahrscheinlich 1940 bei der badisch-pfälzischen Sonderaktion gegen Juden nach Gurs/Südfrankreich deportiert worden. Am 12. 8. 1942 kam sie über das Durchgangslager Drancy nach Auschwitz. Dort ist sie ermordet worden.
Die Steine liegen vor dem Obermarkt 12
Der Text wurde von Dr. Reuter verfasst und verlesen