2023

27.11.2023: Das schrieb Ulrike Schäfer in der Wormser Zeitung zu „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“

Bravourös vorgetragen – und bedrückend

Szenische Lesung mit Roman Knižka zum Abschluss der SchUM-Kulturtage hallt nach

Von Ulrike Schäfer

WORMS. Die letzte Veranstaltung der SchUM-Kulturtage war die szenische Lesung „Ich hatte einst ein schönes Vaterland –Jüdisches Leben in Deutschland“ mit dem Schauspieler Roman Knižka, dem Bläserquintett Opus 45 und der Sopranistin Pia Liebhäuser. Es war ein Abend, der noch lange nachhallen wird: beglückend, weil das Programm so klug zusammengestellt und so bravourös vortragen wurde; bedrückend, weil es einmal mehr bewusst machte, dass die Gemeinschaft von Juden und Christen in Deutschland immer wieder gefährdet war bis hin zur Katastrophe der Schoa.

Die Klammer dieses Abends war die schmerzvolle Klage „Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ aus Heinrich Heines 1832 im französischen Exil verfassten Gedichts „In der Fremde“, ein Satz, den Mascha Kaléko fast 100 Jahre später in ihrem Gedicht „Im Exil“ aufgegriffen hat.

Dazwischen las, ja, spielte der begeisternd wandlungsfähige Roman Knižka Texte, die auch positive Ansätze im Verhältnis der christlichen Gesellschaft zu den Juden zeigten, wie die Forderung des preußischen Diplomaten Christian Wilhelm Dohm nach religiöser Toleranz und einem Ende der rechtlichen und gesellschaftlichen Diskriminierung der jüdischen Bevölkerung.

Hohes Ansehen genoss der Philosoph und Wegbereiter der Aufklärung, Moses Mendelssohn, dem Lessing mit der Figur Nathans des Weisen ein einzigartiges Denkmal gesetzt hat. Knižka erzählte die Ringparabel so eindringlich, dass jedes einzelne Wort Gewicht hatte.

1809 erließ Großherzog Carl Friedrich das Badische Judenedikt, das Juden den Christen rechtlich gleichstellte. Doch im Alltag funktionierte es nicht. 1819 kam es zu den sogenannten Hep-Hep-Krawallen. Rahel Varnhagens Bruder Ludwig Robert schilderte die Ausschreitungen des Mobs in Karlsruhe und war entsetzt, dass keiner der einflussreichen Bürger Partei für die verfolgten Juden ergriff. Voll Bewunderung beschrieb der Schauspieler Eduard Devrient das positive häusliche Umfeld des jungen Felix Mendelssohn-Bartholdy als Voraussetzung für seine hohe Musikalität. Ganz anders nimmt sich Richard Wagners ungezügelter Hass gegenüber jüdischen Komponisten aus. Wie wenig sein Urteil zutraf, zeigten die Musikstücke, die gefühlvollen jiddischen Lieder, auch Gustav Mahlers „Urlicht“ und die so mitreißend lebendigen Stücke Mendelssohns, Victor Ullmanns, Carl Sigmund Taubes und Jacques Ibert, vom fünfköpfigen Ensemble Opus 45 federleicht interpretiert. Pia Liebhäusers schöner Sopran erfasste die oft wehmütige, immer zärtliche Stimmung der Lieder.

Als Beispiel für den dann zunehmenden Antisemitismus las Roman Knižka die folgenschweren Sätze des Historikers Heinrich von Treitschke: „Die Juden sind unser Unglück“ – und stürzte rittlings von der Bühne, als er den Brief des jungen Emil Lewinsohn an seine Eltern las, der für den Kaiser in den Ersten Weltkrieg gezogen war und nicht wiederkehrte. Die berührenden Gedichte von Mascha Kaléko, die Auschwitz-Schilderungen Anita LaskerWalfischs konfrontierten die Zuhörerschaft im Theater mit dem Unsagbaren der Schoa.

Der Abend endete nicht in schuldbewusster Erinnerung, denn Roman Knižka las Sätze aus Max Czolleks kämpferischem Buch „Desintegriert euch!“ Ja, es gilt immer noch, Einstellungen zu überdenken und neue zu gewinnen.“

(Artikel erschienen am 27.11.2023 in der Wormser Zeitung)

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22. November 2023 im WORMSER, um 20:00 Uhr

„Ich hatte einst ein schönes Vaterland“ – Szenische Lesung

mit Roman Knižka, dem Bläserquintett OPUS 45 und der Mezzosopranistin Pia Liebhäuser

22 € / 11 € für Schüler*innen, Studierende, Jugendliche und Auszubildende / Vorverkauf über www.ticket-regional.de oder am Ticketschalter in der Rathenaustr. 11 oder an einer der üblichen Vorverkaufsstellen in Worms oder telefonisch 06241 2000 450.

Entwurf Warmaisa e.V.

„Ich hatte einst ein schönes Vaterland …“, dichtete Heinrich Heine 1832 im Pariser Exil. Roman Knižka und das Bläserquintett OPUS 45 wählen diese Worte als Leitspruch ihres literarischen Kammerkonzerts über jüdisches Leben in Deutschland. Roman Knižka liest u. a. Texte von Moses Mendelssohn, dem Philosophen der Aufklärung, der Schriftstellerin Rahel Levin Varnhagen, die sich für eine jüdische und feministische Emanzipation einsetzte, des Feuilletonisten Ludwig Börne und der Dichterin Mascha Kaléko. 1955 begab diese sich in New York an Bord eines Schiffes, das nach Deutschland fuhr: „Einmal möchte ich es noch sehen, jenes Land, / Das in fremde Welten mich verbannt“, dichtete sie damals, 17 Jahre nach ihrer Emigration in die USA.

Die szenische Lesung wird begleitet vom Bläserquintett OPUS 45 und der Mezzosopranistin Pia Liebhäuser, die jiddische Lieder, Kompositionen von Gustav Mahler und Viktor Ullmann, sowie Arien aus bekannten und heute vergessenen Operetten jüdischer Komponisten zu Gehör bringt. Die Arrangements für Bläserquintett und Mezzosopran hat Prof. Matthias Hermann (Musikhochschule Stuttgart) exklusiv für das Ensemble erstellt.

(Text von Benjamin Comparot, Mitglied von Opus 45)

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Rückblick auf „Kirche trifft die Synagoge“ – Konzert für jüdische romantische Orgelmusik und Viola am 21. Oktober 2023 in der Lutherkirche, Worms

Entwurf Warmaisa e.V.

Das Programm ist eine Zusammenführung von Musik des Christentums mit der des Judentums mit einer Einführung durch den bekannten Musikwissenschaftler Dr. Achim Seip aus Mainz.

Ein interreligiös musikalischer Dialog, dargestellt durch ausgewählte Kompositionen des 19. Jahrhunderts bis hin zur Moderne für Orgel und Bratsche. Gerade im gemeinsamen Schatz der biblischen Psalmen zeigt sich die große Nähe der jüdischen und christlichen Glaubenstraditionen. Die reichen Traditionen christlicher Orgelmusik und der jüdischen Liturgie werden in diesem Konzert miteinander in Verbindung gebracht.

Im Vordergrund steht dabei, dass eine Brücke zwischen Tradition und Moderne geschlagen wird – durch die Kompositionen von Ernest Bloch und Joachim Stutschewsky.

Die seltene, aber reizvolle Konstellation Viola und Orgel verspricht ein außergewöhnliches Klangerlebnis.

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Rückblick auf den Vortrag von Herrn Hans-Georg Herrnleben am 12. Oktober 2023 im Lincoln Theater Worms

Entwurf Warmaisa e.V.

Die drei SchUM-Städte Worms, Speyer und Mainz bilden ein einzigartiges jüdisches kulturgeschichtliches Ensemble. Sie waren seit Beginn des 11. Jahrhunderts als Wiege der aschkenasischen religiösen Kultur von zentraler Bedeutung für die jüdischen Gemeinden in Mittel- und Osteuropa. Im Juli 2021 wurden die drei Gemeinden in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen.Der Vortrag informiert über den außergewöhnlichen universellen Wert der SchUM-Stätten und stellt in Wort und Bild vielfältige Zeugnisse des jahrhundertelangen Lebens und Wirkens im Neben-, Mit- und Gegeneinander der jüdischen und nichtjüdischen Bevölkerung vor.Referent des Abends ist Hans-Georg Herrnleben, der an dem Buch „Warmaisa. Klein-Jerusalem am Rhein. Zeugnisse jüdischen Lebens in Worms“ im AutorInnenteam mitgearbeitet hat.

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Rückblick auf den Vereins-Ausflug 2023 zur Synagoge nach Mannheim am 26. Februar 2023

Synagoge Mannheim, Foto: Rolf Ochßner

Synagoge Mannheim, Foto Rolf Ochßner
Synagoge Mannheim, Foto Rolf Ochßner
Synagoge Mannheim, Foto Rolf Ochßner

Synagoge Mannheim, Foto Rolf Ochßner

Mahnmal für die Mannheimer Opfer des Holocaust, Foto Rolf Ochßner

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Rückblick auf die Stolperstein-Verlegung mit Gunter Demnig am 6. Februar 2023

In der Wormser Innenstadt und Weststadt wurden 23 Steine verlegt, in Osthofen wurde der 1. Stolperstein verlegt.

Während der Verlegung erinnerten die Mitglieder der Stolpersteingruppe Warmaisas in Kurzbiografien an das Leben dieser ehemaligen Mitbürger jüdischen Glaubens. Der mit der Verlegung verbundene Spaziergang ließ uns das vormals selbstverständliche Miteinander der Nachbarschaften erleben, aber auch deren Auseinanderbrechen.

Worms 
Hintere Judengasse 6 / Raschi-Haus4 Steine
Rheinstr. 22 Steine
Obermarkt 182 Steine
Obermarkt 184 Steine
Steinstraße 202 Steine
Zornstraße 12 Steine
Schützenstraße 131 Stein
Thomasstraße 166 Steine
Osthofen 
Schwerdstr. 131 Stein

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Rückblick auf die sehr gut besuchte Lesung aus DER APFELBAUM von und mit Christian Berkel am 29. Januar 2023 im Lincoln Theater Worms

Ende Januar jedes Jahres wird der Befreiung aus den Konzentrationslagern mit Gedenkansprachen gedacht. Warmaisa bietet zu diesem Anlass jeweils unterschiedliche Veranstaltungen an, die zu der Thematik passen und den Blick über die Befreiung heraus weiten.

Am Sonntag, 29. Januar 2023 lud Warmaisa ins Lincoln Theater zu einer Autoren-Lesung mit Christian Berkel aus seinem Bestseller DER APFELBAUM. Christian Berkel ist einer der bekanntesten deutschen Schauspieler und ein glänzender Erzähler. DER APFELBAUM ist ein Roman und auf dem Buchdeckel des Ullstein Verlags ist folgendes Zitat zu lesen: „Jahrelang bin ich vor meiner Geschichte davongelaufen. Dann erfand ich sie neu.“

Christian Berkel führte Leserinnen und Leser auf sehr spannende und emotionale Weise durch das ganze 20. Jahrhundert mit seinen Sonnen- und abgrundtiefen Schattenseiten.

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